Theorie

„Ich heiße Süleyman! Und das ist mein Migrationshintergrund. – Gelme lan, gelmesene oğlum! Lan oğlum bıraksana yakamı, sümük gibi yapış tın, bırak lan yakamı! Ich bin Österreicher!“
Auf dem Programm der Wiener Festwochen (WFW) fand sich dieses Jahr auch das Projekt Bed&Breakfast (B&B) des österreichischen Künstlers Alexandar Nikolić . Ins Zentrum seiner Intervention stellte Nikolić das politisch höchst aktuelle Verhältnis der mehrheitsösterreichischen Gesellschaft einerseits zu den ImmigrantInnen, insbesondere zur großen Gruppe der ImmigrantInnen aus der Region des ehemaligen Jugoslawiens, andererseits.
Es ist mehr an Bedeutungs- und Geschichtsmächtigkeit im Spiel, als es zunächst scheint: Diesen Eindruck hinterlassen die in Dagegen muss ich etwas tun porträtierten AkteurInnen wie auch die Art, wie der Film sie in Szene setzt – in ihrem unerwarteten Mehr an Mächtigkeit.
Die Flatrate ist, so flach die Diskussion auch verlaufen mag, gegenwärtig immer noch der längste Strohhalm.
Die spezielle Arbeit des kollektiv und mehrsprachig hergestellten Buches „Migrationsskizzen. Sketches of Migration“ besteht darin, in der analytischen Verknüpfung gesellschaftlicher, rechtlicher, ökonomischer und ideologischer Strukturen an anderen Darstellungs- und auch Vorstellungsformen und damit anderen ästhetischen und imaginativen Strukturen zu bauen.
Abschminken lautet die Devise. Nicht einmal die armseligste und banalste Perspektive kann entwickelt werden, nämlich Erwerbsarbeit für alle, wie übel und schlecht bezahlt sie auch sein mag. Schon das Halten des Lebensstandards, ja schon die bloße Tatsache einer Bezahlung für Arbeit (Praktikum!) gilt als Erfolg.
Im ersten Teil werden die Begriffe „Körper“ und „Geschlecht“, „Sexualität“ und „Arbeit“ eingeführt sowie deren Bedeutung für den Kapitalismus diskutiert. Der zweite Teil widmet sich verschiedenen Bewegungen, von Arbeiter_innen über Rock’n’ Roll bis hin zum Feminismus. Schließlich erarbeitet Foltin im dritten Teil eine Einführung in die Voraussetzungen der Multitude.
Es gibt tatsächlich, wie Maria do Mar Castro Varela in ihrem Buch feststellt, keine Vorarbeit, auf die sich ihre Untersuchung zur Utopie der Migrantinnen stützen könnte. Sie steht mit ihrer Problemstellung gewissermaßen im breiten Migrationsdiskurs alleine da, nicht nur deswegen, weil die Utopien – als „Zukunft denken“ verstanden – von in rassistischen Ausnahmesituationen agierenden MigrantInnen ein besonderes schwer zu betretendes diskursives Terrain sind, sondern auch deswegen, weil heutzutage für gewöhnlich die Frage der Zukunft nur als die Bestätigung des Bestehenden gedacht wird.
Zygmunt Bauman setzt in seinem aktuellen Buch „Wir Lebenskünstler“ sein zeitdiagnostisches Werk fort. Der soziologische Essay nimmt sich die Frage zum Ausgangspunkt, was gegenwärtig mit dem Glück nicht stimme.
Durch seine strenge formale Konzeption konfrontiert der Film nüchtern vorgetragene, sehr präzise Informationspassagen mit teils emotionalen und intimen Interviewsequenzen. Dabei entsteht eine produktive Spannung, und diese wird auch nach Außen hin – zum Publikum – weitergegeben.
Dass wir uns gegenwärtig in einer der tiefsten Krisen des kapitalistischen Weltsystems befinden, ist kein Geheimnis mehr. Dass die neoliberale Propaganda des „Mehr Privat – Weniger Staat!“ sich zwecks Sozialisierung der immensen Krisenverluste nachgerade ins Gegenteil verkehrt hat, ebenso wenig.
Das Paradox der Subjektivierung aus Ermöglichung und Zwang im Bereich der Arbeit erinnert an das Bild der Eier legenden Wollmilchsau. Renate Lorenz bezeichnet dieses Paradox als Prekarisierung und die Leistung, in diesem Paradox zu agieren, als sexuelle Arbeit.