Die neue Clubkultur: Tanzen für eine bessere Welt
Es geht ein Ruck durch die Clubs. Es entwickelt sich eine politische Clubkultur, die nicht nur hedonistisch-kommerziell ausgerichtet ist, sondern aktiv gegen Rassismus und Sexismus arbeitet, sich über Diversität bei Bookings und Publikum Gedanken macht und Kunst- und Kulturprojekte in die Szene holt.
Politische Regeln in der Clubkultur klingt für manche beim ersten Lesen beinah nach einem Widerspruch in sich. Ein ernsthafter Hedonismus, in dem vermeintliche Werte existieren, scheint kaum möglich, alleine schon wegen der Vermutung, dass das Feiervolk eher dem völlerischen Streben nacheifert, sich selbst und höchstens ihre Freunde mit in den Taumel des Glücks ziehen will und dafür mit unterschiedlichen Substanzen nachhilft, um dann einen individualistischen Rausch zu frönen. Ein Suchen und Finden von Liebschaften und einer kopflosen Nacht. Dies sehen einige allerdings ein wenig differenzierter. Sheri Avraham, die künstlerische Leitung des Wiener Festivals „Tanz durch den Tag“, Frederik Rudolph vom Grazer „I’m in Love With“ Kollektiv, Tobias Kovar, Booker im Club Celeste und Tmnit Ghide von „That good wibe collective“ haben die subkulturelle Veranstaltungsszene, ihre Regeln und Werte aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet.
Gemein ist den jeweiligen Veranstalter*innen vor allem der Wunsch, Orte des Zusammenkommens zu schaffen, an denen sich alle wohl fühlen und gegenseitig respektieren. Auf einer gleichwertigen Ebene, unabhängig von Herkunft oder Geschlecht. Letztendlich sei es doch Aufgabe der Veranstaltenden die Besuchenden zu schützen und für sie einen sicheren Raum zu gestalten, in dem sie Exzess und eine gewisse Freiheit erleben können, so der Anspruch. Freiheit vom alltäglichen Selbst an einem Ort, an dem es möglich ist, sich neu zu erfinden, zu tanzen, loszulassen, Nähe zu erleben in gemeinsamer Zwanglosigkeit.
Dennoch hat auch diese Freiheit Grenzen. Diese beginnen dort, wo sich Andere eingeschränkt und unwohl fühlen oder Gesetze gebrochen werden. Es ist eine besondere Aufgabe, dem deeskalierenden Anspruch treu zu bleiben und Regelverstöße trotzdem so zu sanktionieren, dass sie nicht weiter praktiziert werden. Diese Verantwortung obliegt meist den Türsteher*innen oder dem Security Personal. Das Security Personal muss hierbei nicht unbedingt klischeeentsprechend aus großen, muskulösen Männern bestehen, sondern es geht mitunter vielmehr um Ansprechpersonen, die sich um den Vorfall auch auf andere Weise kümmern können, als direkt mit Gewalt zu reagieren. Tobias Kovar berichtete in diesem Zusammenhang von einer handgreiflichen Auseinandersetzung im Celeste, die nicht in dem Rauswurf der Beteiligten endete, sondern in einem gemeinsamen Gespräch in der Küche, was wiederrum dazu führte, dass beide sich beieinander entschuldigten und die Nacht friedlich weitergeführt werden konnte. Dies zeigt wie wichtig die Auseinandersetzung der Personen untereinander ist, damit nach dem Konflikt auch ein Verständnis für den Auslöser geschaffen werden kann.
Es gilt zu bedenken, warum es nach wie vor so hervorgehoben werden muss, wenn Türsteher*innen die Gäste respektvoll behandeln, das Publikum unterschiedlichster Herkunft entspringt und sexistisches Verhalten verurteilt wird. Dieses Selbstverständnis wird häufig ersetzt durch die Annahme, Menschen mit Aggression und Einschüchterung zu empfangen, reduziere den Ärger durch die Furcht vor den Konsequenzen. Dass jedoch gewaltvolle Begegnungen auch provozieren und Wut erzeugen können und damit direkt das unerwünschte Gegenteil bewirken, sollte eigentlich auf der Hand liegen. Zusätzlich muss eine direkte Ausgrenzung unterschiedlicher Personen an der Tür mitunter gar nicht erst stattfinden, wenn Regelverstöße bei den Gästen gleichermaßen eine solidarische Reaktion erzeugen, so dass sich der oder die Täter*in durch die gemeinschaftliche Missbilligung so unwohl fühlt, dass er selbstständig gehen will und gegebenenfalls sein eigenes Fehlverhalten hinterfragen muss, weil er es nicht auf eine strenge Türpolitik schieben kann.
Die Ansätze unserer Interviewpartner*innen zeigen, dass es möglich ist, durch die Veränderung des Rahmens, abgegrenzte Räume zu öffnen, in denen die Prioritäten mancher Umgangsformen und Werte neu definiert werden und damit ein Spiel zwischen Veranstalter*innen und Gästen zu kreieren, dieses Umdenken gemeinsam Realität werden zu lassen.