„Der Kunst ihre Freiheit“ - Die Einschränkung der Grundrechte in Österreich
Das Zivilgesellschaftsrating Österreichs wurde eben herabgesetzt. Grund: Einschränkung der Grundrechte durch die österreichische Bundesregierung. Kritischer Kunst, aber auch der Presse wird merkbar aggressiver begegnet.
„Der Zeit ihre Kunst und der Kunst ihre Freiheit“, so steht es in goldenen Lettern am Gebäude der Wiener Secession. Der Kulturminister der schwarzblauen Bundesregierung, Gernot Blümel (ÖVP), lobte die Freiheit der Kunst, die Idee der Weiterentwicklung und die Hinwendung zu neuen Strömungen bei der Feierlichkeit zur fertiggestellten Sanierung des Gebäudes. Kunst-, Presse- und Meinungsfreiheit sind wichtige Grundpfeiler der Demokratie. Sie gehören zu den Grund- und Menschenrechten. Österreichs Zivilgesellschaftsrating wurde jedoch trotz aller Beteuerungen vonseiten des ÖVP-Ministers gerade herabgestuft. Begründet wurde das mit den Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte durch die schwarzblaue Regierung. Zugegebenermaßen kommen die Probleme meist aus den blauen Ressorts. Es ist dennoch ein Widerspruch zwischen Wort und Tat im Regierungskurs.
Denn zur Freiheit der Kunst gehört auch, dass man Kunst und Kultur fördert – auch, ob sie einem passt oder nicht. In der Definition der Kunstfreiheit heißt es, dass Kunst die Grenzen erweitern soll, weshalb sich der Staat weltanschaulich und ästhetisch neutral zu verhalten hat. Kunstförderung stellt also nur einen Rahmen her, lenkt nicht, mischt sich nicht darin ein, was inhaltlich oder ästhetisch produziert werden soll.
Nun haben die Nestroy-Spiele in Schwechat vor wenigen Monaten die Regierung durch den Kakao gezogen. Gemeinderat Zistler von der FPÖ drohte daraufhin, Subventionen nicht mehr zuzustimmen. Es sei das erste Mal, dass die üblichen Zusatzstrophen mit Drohungen mit Subventionsentzug beantwortet würden, so Intendant Peter Gruber in der Presse. Geht man nun so mit unliebsamen Stimmen um?
Sieht so aus, denn es ist leider kein Einzelfall. Seit einem Jahr sind immer mehr Fälle zu beobachten, die grundlegenden Freiheitsrechten langsam die Schlinge zuziehen. Dazu gehört auch die Einschränkung der Pressefreiheit. Ein Beispiel ist die aggressive Umfärbung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Umbesetzungen und Rauswurfdrohungen von Korrespondenten bei kritischer Berichterstattung gegen politische Freunde, wie durch ORF-Stiftungsratsvorsitzenden Norbert Steger (FPÖ). Heinz-Christian Strache (FPÖ) bezichtigte den ORF-Moderator Armin Wolf gar der Lüge. Dieser klagte und gewann. Strache musste die Sache richtigstellen. Dass es in einer Auseinandersetzung so weit kommt, in die ein FPÖ-Politiker verwickelt ist, mag jetzt nicht so sehr verwundern. Dass es vom Vizekanzler der Bundesrepublik kommt, ist aber selbst in Österreich äußerst ungewöhnlich und eigentlich nicht tragbar.
Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen, fürchtet deshalb, dass Österreich demokratiepolitisch schwierigen Jahren entgegensieht. Noch deutlicher sind die Weisungen des Innenministeriums im September, Behörden sollten kritischen Medien keine Informationen mehr zukommen lassen. Der aggressive Umgang mit den investigativen Recherchen des Falter und die datenschutzrechtlich problematische Veröffentlichung der E-Mails legen nahe, dass ein systematischer Umbau der Presse in Angriff genommen wird. Rubina Möhring sieht darin eine versuchte Orbanisierung der Öffentlichkeit.
Der so offen aggressive Umgang mit kritischer Presse ist in Österreich noch relativ neu. Selbst unter Schwarzblau I schien das eher hinter den Kulissen zu passieren. Heute könne das viel aggressiver und offener geschehen. Das meint zumindest Paul Poet, Co-Regisseur des Filmes „Ausländer raus! Schlingensiefs Containter.“ Die Aktion samt Film schlug in Österreich hohe Wellen. Sie beinhaltete eine Art Big Brother Container. Darin waren Asylwerbende, die per Publikumsvoting nicht nur aus dem Container, sondern auch aus dem Land gewählt werden konnten. Das Projekt kritisierte damit einerseits das plumpe Entertainment der TV-Kultur, aber auch die immer stärker werdende Fremdenfeindlichkeit. Erst kurz vorher hatte Jörg Haider die FPÖ zu einem Rekordergebnis geführt und Wolfgang Schüssel (ÖVP) die erste schwarzblaue Regierung gebildet. Neben FPÖ Plakaten und Fahnen verwendete das Kunstprojekt auch ein Transparent mit dem SS-Motto „unsere Ehre heißt Treue“. Deshalb klagte die FPÖ, wobei Schlingensief konterte, ob die FPÖ sich nun selbst klage, da der Niederösterreichische FPÖ Obmann Ernest Windholz den Ausspruch zuvor selbst noch verwendet hatte.
Aktionen wie Hubsi Kramars Besuch des Opernballes als Hitler verkleidet oder Schlingensiefs Container brachten die Öffentlichkeit damals regelrecht in Aufruhr. Heute wartet man noch auf ähnliche Interventionen vonseiten der Avantgarde. Vielleicht steckt sie in einer ähnlichen Krise, wie die politische Linke. Womöglich existiert sie nicht mehr in der Form. Vielleicht traut sie sich auch nicht mehr, da sie mit ihren eigenen Existenzängsten zu tun hat. Dieselben Rezepturen wie damals würden aber ohnehin nicht mehr funktionieren, so Paul Poet. Wir hätten es jedoch bitter nötig.
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Foto: © Bwag/CC-BY-SA-4.0