Putren Le Jakha – Open Your Eyes!
Aus zwölf Ländern Europas reisten über 70 junge Roma-AktivistInnen nach Wien, um an der Internationalen Jugend-Konferenz zum Thema Antiziganismus teilzunehmen. Ziel war es, den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, sich zu vernetzen, Ideen auszutauschen und öffentlich auf ihre Interessen aufmerksam zu machen.
Die Konferenz fand von 10.–16. November 2014 unter der Organisation und Leitung des Romano Centro statt. Partnerorganisationen aus Albanien, Bulgarien, Deutschland, Mazedonien, Polen, Rumänien, Serbien, Spanien, Tschechien und Ungarn wirkten am Projekt mit, um gemeinsam gegen Antiziganismus in Europa aufzutreten. Die Konferenz war die erste ihrer Art in Österreich.
In zahlreichen Vorlesungen und Inputs erfuhren die TeilnehmerInnen über Geschichte, Gegenwart und Zukunftsperspektiven der Volksgruppe der Roma. Unter den Vortragenden fanden sich Experten, wie Valeriu Nicolae, Markus End, Ana Oprisan, Mirjam Karoly und Erika Thurner. Sie behandelten Themen, die für das Verständnis des Antiziganismus unerlässlich sind und baten die Jugendlichen zum Dialog. Mithilfe der wissenschaftlichen Inputs war es den TeilnehmerInnen möglich, sich objektiv und sachlich mit ihrer Identität auseinanderzusetzen und dadurch mit kreativen Zugängen Bewusstsein in der Mehrheitsbevölkerung zu schaffen.
Die unterschiedlichsten Workshops boten den AktivistInnen die Möglichkeit, wichtige Methoden zur Bekämpfung von Antiziganismus zu lernen. Das Programm war sehr arbeitsintensiv und dementsprechend erfolgreich. Im Rahmen des Flashmob-Workshops nahmen die Jugendlichen die Organisation einer Kundgebung zum Thema Antiziganismus auf der Wiener Mariahilferstraße in die Hand. Auf Ihren Plakaten stand in englischer Sprache „Erwartest du dir, dass ich singe, tanze oder bettle? Ich kann mehr!“ geschrieben. Die AktivistInnen schafften mit Parolen wie „Stop Antigypsyism! Open your eyes!“ Bewusstsein für das Thema. Dutzende Passanten blieben neugierig stehen, lauschten den Worten der Jugendlichen und vertieften sich am Rande des Flashmobs auch in einige Gespräche mit den jungen Roma. Neben Flyern für die öffentliche Veranstaltung der Konferenz wurde auch reichlich Infomaterial auf der Wiener Einkaufsstraße verteilt.
Im Anschluss an den Flashmob veranstalteten die TeilnehmerInnen eine Pressekonferenz im Wiener Café Ritter, wo sich zahlreiche Journalisten über aktuelle Themen betreffend Roma in Europa informierten. Die Themen reichten von Holocaust-Leugnung über Alltagsrassismus bis hin zu Delogierungen von Roma. Jedes Land, aus dem AktivistInnen gekommen waren, wurde abgedeckt, um adäquat über die internationale, aktuelle Roma-Thematik zu informieren. Anschließend hatten die Journalisten die Möglichkeit, mit den Jugendlichen Interviews zu führen, um einen Einblick in ihre persönlichen Lebensgeschichten und Erlebnisse von Diskriminierung und Antiziganismus zu bekommen.
Das mediale Echo zur gesamten Konferenz war außerordentlich groß. Über die AktivistInnen, die Konferenz und den Flashmob wurde in zahlreichen Zeitschriften und Tageszeitungen, Online-Medien, Fernsehsowie Radiobeiträgen berichtet. Nicht nur österreichische, sondern auch ausländische Medien informierten über die Konferenz. Auch die Postings des Social Media Workshops erhielten eine bislang nie dagewesene Aufmerksamkeit. So erreichte ein Video des Dokumentationsworkshops auf der Plattform Facebook eine Beitragsreichweite von über 9.000 Usern. Auch auf den Kanälen der Projektpartner war die Rückmeldung beträchtlich.
Im Rahmen der Konferenz luden die AktivistInnen zu einer öffentlichen Veranstaltung in die Wiener brunnenpassage, wo sie unter dem Motto „Raise Your Voices!“ die Ergebnisse der Jugend-Konferenz präsentierten. Das Event wurde von über 200 Gästen besucht und fand großen Anklang. Neben Live-Acts wie dem Diknu Schneeberger Trio und der Tanzgruppe Romano Ilo zeigten auch die Teilnehmer des Theater-Workshops ihr Können. Mit kurzen theatralischen Darbietungen provozierten sie das Publikum und regten zum Nachdenken an. Auch die tschechische Rap-Gruppe De La Negra sprach sich in ihren Texten für Toleranz und gegen Diskriminierung aus. In etlichen Reden spiegelte sich schließlich die Message der Konferenz wider.
Am 15. November nahmen die Jugendlichen an der offiziellen Gedenkveranstaltung für die Opfer des Konzentrationslagers Lackenbach teil. Anschließend hielten sie am Friedhof der Roma eine Mahnwache und gedachten der Opfer des Völkermordes an Roma und Sinti. Für viele Teilnehmer war dies der erste Gedenkakt im Zeichen der Erinnerung an die im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti. Auch dort ansässige Menschen gesellten sich zu der Gruppe, um mit Gebeten und Liedern den Opfern zu gedenken.
Die Konferenz bot den jungen Roma-AktivistInnen eine Plattform
für Dialog und konnte sie in ihrem Bestreben bestärken. Die Jugendlichen gingen voller Energie und Elan nach Hause und nahmen die Botschaft der Konferenz mit. Bereits einige Wochen und Monate nach Ende der Veranstaltung wurden Stimmen lauter, die eine Fortsetzung der Konferenz forderten. Schließlich erklärte sich der spanische Projektpartner FAGiC dazu bereit, die Jugend-Konferenz samt Konzept zu übernehmen und im November 2015 in Spanien auszutragen. In Barcelona trafen sich die Jugendlichen nun wieder. Unter den TeilnehmerInnen fanden sich bekannte und auch zahlreiche neue Gesichter. Der Erflog der ersten Konferenz hatte auch innerhalb der Roma-Community große Wellen geschlagen und viele junge Roma dazu motiviert, sich zu bewerben. Mit 55 AktivistInnen fand die Fortsetzung der Wiener Konferenz als zweite Internationale Jugend-Konferenz zum Thema Antiziganismus schließlich statt. Der Erfolg, das Echo und die Motivation der AktivistInnen war nicht weniger beachtenswert als in Wien. Auch in diesem Jahr konnte das Motto umgesetzt und die Augen vieler Menschen geöffnet werden.