Covid-19 Veranstaltungsverbot trifft Kulturszene hart: Maßnahmenpaket jetzt dringend gefordert
Das beschlossene Veranstaltungsverbot trifft die gesamte Kulturszene massiv. Für kleine Kultureinrichtungen sowie Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen kann es existenzbedrohend werden. Wir erwarten, dass die Regierung ein Maßnahmenpaket im Dialog mit der Szene schnürt, um existenzbedrohende Einnahmensausfälle zu verhindern und nicht zusätzlich zur Verunsicherung beizutragen.
Diesen Dienstag verlautbarte die Bundesregierung, dass um die Weiterverbreitung des Coronavirus zu verlangsam, per Regierungserlass alle Indoor-Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen und alle Outdoor-Veranstaltungen mit mehr als 500 Teilnehmer*innen – vorerst bis 3. April 2020 – untersagt sind (Hier zu den FAQs zum Veranstaltungsverbot).
Das trifft die Kulturszene massiv. Wer die prekären finanziellen Realitäten kennt, unter denen Kulturinitiativen, Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen bereits bislang arbeiten, dem ist klar, dass es hier um Existenzen geht.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Sicherstellung der Wirtschafts- bzw. Tourismusbetriebe jetzt oberste Priorität hat, während der Kulturbereich in der „Kulturnation Österreich“ die Konsequenzen selbst tragen soll. Auch für den Kulturbereich gilt: Eine rasche und praxisnahe Umsetzung eines Maßnahmenpakets ist ein Gebot der Stunde, um nachhaltigen Schaden für alle im Kunst- und Kulturbereich Tätigen abzuwehren.
Die IG Kultur Österreich fordert Bund, Länder und Gemeinden auf, gemeinsam ein Maßnahmenpaket zu schnüren:
- Klarstellungen und rechtsverbindliche Informationen, die fundierte Entscheidungen aller Betroffenen ermöglichen
- Keine Rückförderung öffentlicher Förderungen, wenn Veranstaltungen, Programme und Projekte durch das Veranstaltungsverbot nicht oder nur beschränkt umsetzbar sind; Kulanz bei den Abrechnungen, dass Eigenmittel nicht im geplanten Ausmaß erbracht werden können
- Sicherstellung der Liquidität der betroffenen Kultureinrichtungen, um drohende Konkurs- und Kündigungswellen abzuwehren, u.a. durch Vorziehen der Auszahlungen von Fördertranchen bei bereits bewilligten Förderungen
- Einrichtung eines Notfallfonds, der schnell und unbürokratisch Finanzzuschüsse vergibt, um akut existenzbedrohende Situationen zu verhindern – sowohl für Veranstalter*innen als auch für Kunst- und Kulturschaffende
- Kompensationsansprüche bei Einnahmens-/Einkommensausfällen, die durch die behördlich verordneten Absagen, Re-Dimensionierungen oder Verschiebungen von Veranstaltungen entstehen
- Budgetierung entsprechender zusätzlicher Finanzmittel im nächsten Bundesbudget
- Runder Tisch mit den Vertreter*innen der Szene, um das weitere Vorgehen gemeinsam abzustimmen und einen kontinuierlichen Informationsaustausch über die Entwicklungen zu ermöglichen
Die Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus stellt alle vor Herausforderungen. Es steht außer Frage, dass auch der Kulturbereich seinen Teil dazu beiträgt, um die Bemühungen zur Eindämmung der Verbreitung zu unterstützen. Aber es muss sichgeerstellt sein, dass die Corona-Pandemie für Kunst- und Kulturakteur*innen nicht zur zusätzlichen Existenzbedrohung wird.
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Wir arbeiten daran, praxisnahe Lösungen im Dialog mit der Politik zu finden. Angesichts der enormen Verunsicherung und Dringlichkeit der Situation, müssen in den nächsten Tagen bereits erste Maßnahmen erfolgen. Zu diesen – ersten – Schritten zählen:
Rechtsverbindliche Informationen, wie mit dem Veranstaltungsverbot umzugehen ist:
Es braucht Klarstellungen, die rechtlich halten. Das Veranstaltungsverbot ist österreichweit bereits in Kraft getreten. Kulturveranstalter*innen müssen jetzt – bzw. mussten bereits – entscheiden, welche Konsequenzen sie ziehen. Ob Veranstaltungen abgesagt werden, ob Aufträge abgesagt, Kündigungen ausgesprochen werden müssen, ob sie mit Entschädigungszahlungen für Einnahmen- und Einkommensausfälle rechnen können, etc.. Die meisten Fragen verbleiben bis dato jedoch unbeantwortet. Die Verantwortung und das Risiko wird damit an die Betroffenen abgeschoben.
Besonders gravierend wirkt diese Unsicherheit für jene Akteur*innen, die für ihre Aktivitäten öffentliche Fördermittel erhalten. Wie ist mit öffentlich geförderten Kulturveranstaltungen und Projekten umzugehen, die aufgrund des Veranstaltungsverbots nun nicht stattfinden können oder re-dimensioniert werden müssen. Ausgaben wurden bereits getätigt, Verträge abgeschlossen, Flüge und Hotels gebucht, Drucksorten beauftragt, Fixkosten für Infrastruktur laufen weiter, Gehälter müssen bezahlt werden, und so weiter. Gleichzeitig kommt es zu einem Einnahmenausfall (auch bei einer Re-Dimensionierung von Veranstaltungen auf 100 Personen), da keine bzw. weniger Eintrittskarten verkauft werden können.
Es braucht die unmissverständliche Klarstellung, dass es zu keinen Rückforderungen von Förderungen kommen wird, ebenso wie rechtsverbindliche Informationen, wie Fördermittel nun verwendet werden dürfen, ohne vertragsbrüchig zu werden (z.B. dürfen Honorare an Künstler*innen für Leistungen, die nun nicht erbracht werden können, ausbezahlt werden). Ebenso ist davon auszugehen, dass die erforderlichen Eigenmittel, die stets bei öffentlichen Förderungen eingebracht werden müssen, aufgrund des Einnahmenentfalls nicht bzw. nur in geringerem Maße eingebracht werden können. Auch hier braucht es Klarstellungen, dass davon angesichts der Umstände abgesehen wird. Und schließlich stellt sich die Frage, wer für die Zusatzkosten aufkommt, die bei etwaigen möglichen Verschiebungen von Veranstaltungen entstehen. Wir brauchen rechtsverbindliche Informationen zu all diesen Fragen, damit Veranstalter*innen informierte Entscheidungen treffen können, ohne ein böses Erwachen bei der Förderabrechnung fürchten zu müssen.
Einrichtung eines Notfallfonds, der schnelle und unbürokratische Finanzzuschüsse ermöglicht, um akut existenzbedrohende Situationen abzuwehren – sowohl für Veranstalter*innen als auch für Kunst- und Kulturschaffende.
Für viele Kulturveranstalter*innen und -einrichtungen bedeutet der Einnahmenentfall eine potentielle Zahlungsunfähigkeit. Kaum eine unabhängige Kulturinitiative verfügt über so hohe Rücklagen, um die aktuelle Situation länger aus eigener Kraft finanziell überbrücken zu können, während die Fixkosten unverändert weiter laufen. Konkurs- und Kündigungswellen drohen. Die Tatsache, dass niemand vorhersagen kann, ob das Veranstaltungsverbot verlängert wird oder nicht, verschärft die Situation. Sollen tatsächlich alle Vorbereitungen für einen regulären Veranstaltungsbetrieb ab dem 4. April 2020 weitergeführt werden? Soll davon ausgegangen werden, dass von einem Tag auf den anderen das Publikum wie gewohnt plötzlich wieder kommt und alles seinen gewohnten Gang nimmt? Wohl kaum. Bereits jetzt sagen viele Kultureinrichtungen Veranstaltungen längerfristig ab, planen angesichts des damit verbunden Risikos keine Aktivitäten für die nächsten Monate. Die aktuellen Maßnahmen drohen einen nachhaltigen Effekt für den gesamten Kulturbereich zu haben, dessen Konsequenzen nicht abschätzbar sind.
Betroffen sind nicht nur die Kultureinrichtungen und ihre Angestellten, sondern auch all jene, die an Kulturveranstaltungen involviert sind. Jede*r einzelne*r Künstler*in, Musiker*in, Performer*in, Projektmitarbeiter*in, Tontechniker*in, Bühnenbildner*in, Graphiker*in etc. – sie alle fallen potentiell um die geplanten Einnahmen um, sowohl kurzfristig durch Absagen als auch durch das Ausbleiben neuer Aufträge. Hier entstehen existenzbedrohende Situationen für Menschen, die angesichts der ohnedies bereits „regulär“ bestehenden äußerst prekären Arbeits- und Lebensrealitäten in diesem Feld entsprechend stark wirken. Einem ganzen Berufsfeld wird verunmöglicht, von ihrer Profession den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Ein Notfallfonds ist einzurichten, der unbürokratisch und schnelle Finanzzuschüsse vergibt, um den Fortbestand von Kulturinitiativen, die nun vor akuten Liquiditätsproblemen stehen, zu sichern, als auch das Überleben all jener, die im Feld der freien Kunst- und Kulturszene mit existenzbedrohenden Einnahmensausfällen konfrontiert sind, zu sichern.
Andernfalls droht die Vielfalt des kulturellen Leben in Österreich nachhaltig Schaden zu nehmen.