Fair Pay: Eine Bestandsaufnahme in Bund und Ländern.
Der Kulturbereich ist besonders von Prekariat, Unterbezahlung, schlechter sozialer Absicherung und unsicheren Arbeitsverhältnissen betroffen. Deshalb hat die IG Kultur schon vor über zwölf Jahren die Kampagne für Fair Pay im Kulturbereich gestartet. Fair Pay konnte erstmals ins Regierungsprogramm lobbyiert werden. Das ist nun drei Jahre her, das heißt die Legislaturperiode neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu. Wir haben nachgefragt, wie es in Bund und Ländern in Sachen Fair Pay gerade steht.
Yvonne Gimpel, IG Kultur
Der Bund hat für 2023 9 Millionen Euro für Fair Pay Zuschüsse reserviert, das ist eine Steigerung von 2,5 Millionen, bedeutet aber, dass es in der Praxis weiter zweckgewidmete Fair Pay Zuschüsse geben wird, die für eine Erhöhung von Gehältern und Honoraren eingesetzt werden sollen. Für jene, die bereits 2022 beim Bund um einen Fair Pay Zuschuss angesucht haben, soll er in der regulären Förderung vergeben werden. Das heißt, sie müssen nicht mehr extra einreichen. Für jene, die noch nie eingereicht haben, besteht die explizite Einladung, das jetzt zu tun. Es zeigt sich aber, dass das Modell des Zuschusses ein Übergangsmodell und noch weit davon entfernt ist, das Ziel einer fairen Bezahlung von Kulturarbeit zu erreichen, damit es keine Sonderzahlung mehr braucht und faire Bezahlung zum Standard wird.
Wir sind noch auf einem langen, mühsamen Weg, bis wir das Ziel erreichen. Der Bund ist aber natürlich nur ein Faktor, es braucht verschiedene Gebietskörperschaften, auch die Bundesländer und Gemeinden müssen an Board sein. Der Bund fördert beim Fair Pay Zuschuss nur anteilig, das heißt, solange nicht alle Stellen auch mitziehen, bleibt immer eine Finanzierungslücke und auch viel Verunsicherung. Als Kulturverein braucht man die Sicherheit, dass man sich die Umstellung auch leisten kann. Diese Problematik ist uns bewusst und wir zeigen im Austausch mit unseren Mitgliedern praktische Wege auf, damit man finanziell auf der sicheren Seite ist.
Thomas Randisek, Dachverband Salzburger Kulturstätten
Salzburg bleibt in Sachen Fair Pay in der Vorreiterrolle.Seit heuer ist auch die Stadt Salzburg als dritte Gebietskörperschaft neben Bund und Land in den Prozess eingestiegen. Damit sind nun alle drei Fördergeber für die Umsetzung fairer Bezahlung dabei. Das Land Salzburg hat mit dem Prozess bereits 2021 begonnen. Ziel war die anteilige Finanzierung des Fair Pay Gaps auf 70% anzuheben. Das Ziel für das heurige Jahr 2023 ist 80% Fair Pay bei Kulturarbeiter*innen zu erreichen. 2024, also nächstes Jahr, sollen anteilig 90% Fair Pay erreicht werden. Das Land hat heuer wiederum einen Betrag von 250.000€ dafür reserviert, im März folgt dann ein weiterer wichtiger Schritt: Fair Pay für Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen.
Hier wird aktuell noch an den Richtlinien gearbeitet. Die faire Entlohnung künstlerischer Produktion ist eben ein sehr diffiziler und eine entsprechend lange Vorbereitungsphase wird benötigt. Für diesen Prozess, der „Fair Pay II“ genannt wird, ist eine Summe von rund 300.000€ reserviert. Die Stadt Salzburg hat 2023 eine Summe von rund 200.000€ für Fair Pay budgetiert, allerdings sehr eingeschränkt auf jene Kulturstätten, die eine mittelfristige Fördervereinbarung mit der Stadt haben. Das sind aktuell zwölf Institutionen. Hier ist noch Luft nach oben, der Dachverband hat in der Stadt ja aktuell 40 Mitglieder. Positiv anzumerken ist auch, dass das Land Lohnsteigerungen im Fair Pay Schema – für 2023 7% - mitbedacht hat und entsprechende Steigerungen auch mitfinanzieren will.
Dachverband Salzburger Kulturstätten
Mirjam Steinbock, IG Kultur Vorarlberg
Im letzten Jahr wurde im Auftrag des Landtags an die Vorarlberger Landesregierung ein Fair Pay Prozess in Vorarlberg gestartet. Dieser Beschluss wurde einstimmig gefasst, was uns sehr gefreut hat. Es wurde bestimmt, dass der Ist-Zustand in Sachen Fair Pay erhoben werden und entsprechende Maßnahmen implementiert werden sollen. Wir waren sehr optimistisch gestimmt, dass etwas in Gang gesetzt wird, was Jahre zuvor nie möglich war, als wir noch vor verschlossenen Türen gestanden sind, wenn wir das Thema nur erwähnt hatten. Das ist mal positiv. Allerdings wird uns nun eine Strategie vorgesetzt, die gar keine ist und jeder Fairness entbehrt. Und das trotz des Fairness Kodex, der von der Vorarlberger Landesregierung und der Kulturabteilung maßgeblich mitgeschrieben wurde und die Gebietskörperschaften in die Verantwortung nimmt. Die Prozesse sollen transparent sein und das ist gerade nicht zu bemerken. Es wird auf einzelne maßgeschneiderte Lösungen hingewiesen, was weder transparent oder fair noch nachhaltig ist. Das kritisieren wir stark. Wir haben jahrelang für Fair Pay gekämpft und sehen uns nun damit konfrontiert, dass nur landeseigene und landesnahe Organisationen berücksichtigt werden. Wir sehen auch keine Budgetmittel, die für den Prozess freigestellt worden wären.
Wir fordern von der Vorarlberger Landesregierung und den Gebietskörperschaften zuerst mal valide Daten zu Fair Pay, auch zu ehrenamtlichem Engagement und unfreiwillig unbezahlter Arbeit und eine Erhöhung der Fördermittel, ohne die faire Bezahlstrukturen nicht möglich sind. Es darf nicht zulasten der Kulturvereine gehen, die für das Land wichtig sind und eine breite Kulturarbeit und niederschwellig zugängliche Kultur gewährleisten. Fördergebende müssen ihre Verantwortung wahrnehmen und entsprechende Ressourcen zur Verfügung stellen.
Lidija Krienzer-Radojević, IG Kultur Steiermark
Erfreulicherweise beginnt in der Steiermark gerade eine große Untersuchung, wie hoch der Fair Pay Gap ist. Dazu gab es eine Infoveranstaltung. Es ist eine Erhebung der Landesstatistik, des Landes Steiermark und der Stadt Graz. Alle Fördernehmer*innen werden eingeladen, sich an der Erhebung zu beteiligen, damit alle Grundlagen für die Kulturpolitik erfasst werden können und Land und Stadt eine Strategie ausarbeiten können, wie sie den Gap ergänzend zum Bund schließen können. Die Strategie ist im Landesregierungsprogramm und dem Programm der Stadtkoalition verankert. Deshalb erwarten wir uns nach der Erhebung noch im zweiten Halbjahr Gespräche mit der Kulturpolitik, welche Maßnahmen sie setzen und wieviel Gelder sie freistellen werden, um den Fair Pay Gap zu schließen. Wir sind als IG Kultur Steiermark sind als Expert*innen eingebunden und werden den Prozess weiterhin begleiten.
Helene Schnitzer, TKI – Tiroler Kulturinitiativen
Die Kulturabteilungen des Landes Tirol und der Stadt Innsbruck haben Mitte letzten Jahres eine gemeinsame Fragebogenerhebung zu Fair Pay durchgeführt. Die TKI war in dieser ersten Phase der Erhebung auch eingebunden. Es wurden in etwa 100 gemeinnützige Kulturorganisationen aus allen Bereichen befragt, Kulturinitiativen, Theatervereine, aber auch Dachorganisationen von Traditionsvereinen. Bei der Erhebung wurden ausschließlich bestehende Anstellungsverhältnisse berücksichtigt, also Arbeitsverhältnisse mit echten oder freien Dienstverträgen. Es wurde nicht nach Werkverträgen oder unbezahlten Überstunden gefragt und auch nicht nach dem eigentlichen Personalbedarf, der sich ja oft hinter unfreiwilligem Ehrenamt verbirgt. Das verfälscht die eigentliche Arbeits- und Einkommenssituation in der Kulturszene und wurde auch von einigen kritisiert. Positiv ist jedenfalls, dass sich Stadt und Land gemeinsam um die Schließung des Fair Pay Gaps bemühen und auch beide Mittel für das Jahr 2023 für Fair Pay zweckgewidmet haben.
Wir sehen aber drei Schwierigkeiten im Fair Pay Prozess: Erstens haben die Landtagswahlen in Tirol und auch die geänderten politischen Zuständigkeiten Unsicherheiten bezüglich der Weiterführung des Prozesses gebracht. Es ist derzeit nicht klar, ob auch in den nächsten Jahren Gelder zur Schließung des Gaps zur Verfügung gestellt werden, oder ob Lösungen für die Bezahlung von fairen Honoraren für Selbstständige, also Künster*innen und freie Kulturarbeiter*innen ausgearbeitet werden. Ein zweiter Punkt ist die hohe Inflation, die die Fair Pay Zuschüsse auffrisst. Solange Kulturbudgets und Förderungen nicht indexiert werden, ist die Umsetzung von Fair Pay nicht zu bewerkstelligen. Der dritte Punkt Gemeinden und kleinere Städte, in denen es noch gar keine Umsetzungsschritte für Fair Pay gibt. Grundsätzlich sehen wir es aber mal positiv, dass das Land Tirol und die Stadt Innsbruck erste Maßnahmen zur Umsetzung von Fair Pay setzt.
TKI – Tiroler Kulturinitiativen/IG Kultur Tirol
Elena Stoißer, IG KIKK
Das Land Kärnten bekennt sich grundsätzlich zu Fairness und „leistungsgerechter“ Bezahlung in Kunst und Kultur und hat in Zusammenarbeit mit der Interessengemeinschaft Tanz/Theater/Performance im Projekt „Fair Play Kärnten/Koroška“ soziale Absicherung, Honoraruntergrenzen und alternative Fördermodele untersuchen lassen. Dabei ergab sich allein im darstellenden Bereich ein Förderbedarf von 100% und würde eine Verdoppelung der Subventionen bedürfen. Das Land hat die Fair Pay Strategie der Gebietskörperschaften unterzeichnet und damit das Bekenntnis bekräftigt. Auch ein Projekt der IG KIKK wurde 2022 ermöglicht, in dem wir bundesweit die Entwicklungen der Länder und des Bundes untersucht haben, um Rückschlüsse auf Umsetzung und Implementierung von Fair Pay in Kärnten zu ziehen. Bei unserer Diskussionsveranstaltung zum Thema hat sich Landeshauptmann Peter Kaiser das Fair Pay Manifest mitgenommen mit den Worten, er wolle es sich in die Koalitionsverhandlungen mitnehmen und sich am Salzburger Modell orientieren. Die IG KIKK hat gemeinsam mit dem Container25 den Fair Pay Day durchgeführt, um zu zeigen, dass die Zuschüsse des Bundes gerade einmal für eine Veranstaltung ausreichen.
Absichtsbekundungen allein reichen nicht. Es steht in Kärnten auch gerade eine Änderung in der Kulturabteilung an, Brigitte Winkler-Komar kommt von der Abteilung 2 des BMKOES für Musik und darstellende Kunst, wo sie auch den Fairness Prozess des Bundes verantwortete und wird Leiterin der Kulturabteilung. Daher sind wir hoffnungsvoll und freuen uns mit ihr an Fair Pay in Kärnten/Koroška zu arbeiten und hoffen, dass sie unsere Handlungsempfehlungen aufnehmen und auch umsetzen wird. Der nächste Schritt wäre eine Umfassende Erhebung des Fair Pay Gaps, wie es auch der Bund, Salzburg oder Tirol durchgeführt haben. Nur mit guter Faktenbasis können weitere Schritte gesetzt werden.
Katharina Serles, IG Kultur Wien
Das Fair Pay-Symposium 2019 im Wiener Gartenbaukino war ein erstes wichtiges Signal. Es gibt auch ein Papier der Gebietskörperschaften, in dem sich die Länder verpflichten, Maßnahmen zu setzen. Es soll eine Art Wiener Modell geben, das sich auf Kulturarbeiter*innen konzentriert, die nicht an großen Institutionen angestellt sind. Wir finden gut, dass es nun eine Studie von Educult gibt, die die Fair Pay-Maßnahmen der Stadt evaluiert. Wir finden aber nicht gut, dass die Kulturinitiativen in dieser Studie ausgespart werden.
Wir sind auch im Kulturentwicklungsplan der Stadt involviert und stellen folgende Forderungen: Erstens braucht es dringend eine Erhebung des Fair Pay-Gaps. Zweitens braucht es Transparenz: Fördergeber*innen müssen transparent machen, dass nach Fair Pay-Modellen berechnet werden soll. Im Leitbild der Stadt Wien wird zwar dazu aufgefordert, nach Fair Pay einzureichen, in den konkreten Unterlagen wird aber nicht danach gefragt. Und drittens: Fair Pay braucht mehr Budget. 2021 gab es eine Erhöhung im Kulturbudget, die von der Teuerung aufgefressen wurde und wir warten auf einen Teuerungsausgleich. Im April wird es im Rahmen des Kulturentwicklungsprozesses eine groß angelegte Konferenz geben, da wird Fair Pay auch ein Thema sein und wir sind sehr dahinter, dass der Fair Pay-Gap endlich erhoben wird. Davor brauchen wir Fair Pay-Modelle gar nicht diskutieren, ehe wir nicht darüber Bescheid wissen. Es braucht ein nachhaltig erhöhtes Kulturbudget, um diese Lücke auszugleichen. Ich persönlich finde es wahnsinnig anstrengend, dass sich Bund und Länder ständig gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben wollen und am Ende des Tages so wenig weitergeht, weil aus politischem Kalkül nicht gemeinsam an einem Strang gezogen wird.