Gruppe Blauer Montag: Risse im Putz
Das Foto auf dem Buchcover zeigt fünf in Blaumänner gekleidete Personen in einem Raum, der in seiner Artifizialität an den white cube einer Galerie erinnert. Das abgebildete Setting vermittelt den Eindruck einer Installation und scheint – wie bei jedem Cover – eine Analogie zu den im Buch verhandelten Inhalten nahe zu legen.
Das Foto auf dem Buchcover zeigt fünf in Blaumänner gekleidete Personen in einem Raum, der in seiner Artifizialität an den white cube einer Galerie erinnert. Das abgebildete Setting vermittelt den Eindruck einer Installation und scheint – wie bei jedem Cover – eine Analogie zu den im Buch verhandelten Inhalten nahe zu legen; bspw. zur konstatierten Distanz vieler Fraktionen der Linken zu sozialen Fragen; oder auch zur kritisierten Nicht-Bezugnahme neuerer Prekarisierungsdiskurse auf Veränderungen in (großbetrieblichen) Industriesektoren. Ins grelle Scheinwerferlicht gerückt werden solche Themen von der in Hamburg verorteten Gruppe Blauer Montag (GBM), die vor rund 15 Jahren aus den lokalen Strukturen der JobberInnen- und Erwerbslosenbewegung hervorging und seitdem in einem entlang der beiden thematischen Achsen undogmatisch-linker Arbeits- und Sozialstaatskritik strukturierten Diskussionszusammenhang besteht. Besagte Kritik ist dabei stets verbunden mit Fragen der Politisierung sozialer Reproduktion im Sinne individueller und kollektiver Konflikt- und Widerstandperspektiven das (Über-)Leben im Kapitalismus betreffend.
Ihr vor kurzem bei Assoziation A erschienenes Buch „Risse im Putz“ versammelt Texte der GBM, die seit 1994 als Diskussionsbeiträge in unterschiedlichen Kontexten publiziert wurden. Die – im Rahmen der Einleitung seitens des AutorInnenkollektivs selbst artikulierte – Skepsis gegenüber der Entscheidung, diese nun als Buchbeiträge wieder zu veröffentlichen, erweist sich bei der Lektüre rasch als unbegründet, funktionieren die einzelnen Texte doch auch in von ihrem jeweiligen Entstehungszusammenhang losgelöster Form. Das hat z. T. mit deren Kontextualisierung im Rahmen der Einleitung sowie der Zwischeneditorials zu tun, welche jedes der drei Buchkapitel eröffnen. V. a. jedoch hängt es mit der von der GBM konstatierten „Geschichtslosigkeit“ der Linken zusammen, durch die das in Bewegungszusammenhängen generierte Wissen und damit verbundene Erfahrungen immer wieder verschütt gehen. Die Beiträge zu Existenzgeld und Grundeinkommen, zu Prekarisierung und neuen Formen der Arbeitsorganisation, aber auch jene zu Aneignung, („neuer“) Selbstständigkeit und New Labour lesen sich deshalb tatsächlich – wie von der GBM intendiert – nicht bloß als Bestandsaufnahme vergangener Diskussionen, sondern ebenso als Intervention in aktuelle Debatten.
Trotz manch streitbarer These überzeugt dabei v. a. das fortwährende Bemühen darum, verschiedene linke Positionen mit dem Ziel zueinander in Beziehung zu setzen, die Zusammenfassung ihrer Kämpfe gegen die fortwährende Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen zu befördern. Dies setzt insofern auch eine begrifflich-konzeptionelle Arbeit voraus, als bspw. Veränderungen im Bereich der (Lohn-)Arbeitsverhältnisse zwar offenkundig mit jenen der sozialstaatlichen Armuts- und Arbeitskraftregulierung in Verbindung stehen, aus diesem Umstand aber noch lange keine gemeinsamen Forderungen etwa von Erwerbsloseninitiativen, Gewerkschaftslinken und AktivistInnen aus dem (post-) autonomen Spektrum resultieren. Die kritisch-solidarische Auseinandersetzung mit solchen Positionen jenseits von falschem Harmoniebedürfnis und langweiligem SektiererInnentum sowie die darauf basierende Arbeit an verbindenden Theorie- und Praxisentwürfen macht das Buch der GBM dabei zu einem gleichermaßen theoretisch erhellenden und politisch anregenden Beitrag zur aktuellen Strategiedebatte um eine Politisierung sozialer Fragen von Links. Dass diese in Hinblick auf das Ziel einer Verbreiterung der Risse im Putz mit der aktuellen Kapitalismuskrise weiter an Brisanz gewonnen hat, steht wohl außer Zweifel.
Gruppe Blauer Montag: Risse im Putz. Autonomie, Prekarisierung und autoritärer Sozialstaat Berlin/Hamburg: Assoziation A 2008