Mehr Demokratie in die Bedeutungsproduktion!

<p><b>Stellungnahme der IG Kultur Österreich zum Community-TV in Wien</b><br /> <br /> <br /> Der Beitrag ist zuerst erschienen in: Glocalist Review, Nr.41, 2004.<br /> <br /> <br /> Als Netzwerk und Interessenvertretung der kulturellen Szene abseits der Mainstream- und Repräsentationskultur hat sich die IG Kultur Österreich in den vergangenen Jahren vermehrt zur Medienpolitik zu Wort gemeldet. Die Gründe dafür sind naheliegend: Unter den Mitgliedern des

Stellungnahme der IG Kultur Österreich zum Community-TV in Wien


Der Beitrag ist zuerst erschienen in: Glocalist Review, Nr.41, 2004.


Als Netzwerk und Interessenvertretung der kulturellen Szene abseits der Mainstream- und Repräsentationskultur hat sich die IG Kultur Österreich in den vergangenen Jahren vermehrt zur Medienpolitik zu Wort gemeldet. Die Gründe dafür sind naheliegend: Unter den Mitgliedern des bundesweiten Dachverbandes finden sich immer öfter auch Initiativen einer partizipativen Medienkultur, die es zu ihrer Aufgabe erklären, Öffentlichkeiten herzustellen, in denen sich Meinungsfreiheit und sozio-kulturelle Ausdrucksformen von Bürgerinnen und Bürgern realisieren können.

Im Jahr 2001 wurde im Rahmen der rot-grünen Vereinbarungen für Wien auch ein Community TV-Projekt zum stadtpolitischen Ziel erklärt. Von Beginn an hat die IG Kultur Österreich ihre Erwartungen an dieses Vorhaben eng mit einem politischen Verständnis von Kulturarbeit verknüpft, die sich der zunehmenden Verdrängung von öffentlichen Interessen entgegenstellen muss. Medienpolitische Rahmenbedingungen zählen folgerichtig zu den wichtigsten Indikatoren, die über die Qualität einer modernen Stadtgesellschaft Auskunft geben. Gerade im Hinblick auf die Sicherstellung eines pluralen Gemeinwesens im Informationszeitalter ist es von entscheidender Bedeutung, inwieweit Menschen die Möglichkeit vorfinden, mit Medien zu arbeiten und über den Zugang zu Medien aktiv an sozialen und kulturellen Prozessen teilnehmen zu können. Öffentlichkeiten entstehen letztlich nur durch Debatten und Auseinandersetzungen, durch miteinander in Konflikt tretende Definitionsversuche allgemeiner Werthaltungen.

Welche Schlüsse sind nun für das TV-Projekt in Wien daraus zu ziehen? Zuallererst hat das Community Fernsehen darauf zu achten, dass selbstverwaltete Strukturen geschaffen werden, die eine volle Unabhängigkeit von Politik, Magistratsabteilungen und Wirtschaftsinteressen garantieren. Dies erfordert einen eigenständigen Sendeplatz als Vollkanal und eine dauerhafte Finanzierung durch die öffentliche Hand. Nur so ist nachhaltig gewährleistet, dass sich non-konforme Standpunkte ebenso artikulieren können wie gesellschaftlich benachteiligte und unterrepräsentierte Gruppen, die - wie etwa Migrantinnen und Migranten - in der Wiener Medienlandschaft zumeist in Form von individualisierter Opferdarstellung oder Kriminalisierung Erwähnung finden. An diesem Beispiel ist klar ersichtlich: Mit der Frage nach dem Zugang zu Medien entscheidet sich auch die Frage nach mehr Demokratie in der Bedeutungsproduktion.

"Das Ziel der Demokratisierung der Medien", schreibt der Medientheoretiker Geert Lovink in seinem neuen Buch Dark Fiber, "ist die Abschaffung aller Formen mediatisierter Repräsentation und künstlicher Verknappung von Kanälen." Er ist überzeugt: "Die technischen Möglichkeiten, Menschen für sich selbst sprechen zu lassen, sind heute da. Öffentlicher Zugang zu einer Reihe von Kommunikationswerkzeugen und die Unterstützung unabhängiger, taktischer Medien kann den politischen Intellektuellen letztlich überflüssig machen." Das Bild beschreibt die Zielvorgabe ganz vortrefflich. Die IG Kultur Österreich wird das Community TV-Projekt daher als kultur- und medienpolitischen Prüfstein für die Demokratieentwicklung in Wien und darüber hinaus im Auge behalten.


Martin Wassermair ist kulturpolitischer Sprecher der IG Kultur Österreich

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