Solidarität mit Grazer Kulturschaffenden vor Gericht
Künstler*innen Ada Kobusiewicz und Werner Schimpl sind angeklagt, „vorschriftswidrig Suchtgift erzeugt“ zu haben. Die Anklage der Justiz erfolgte nach einer Anzeige durch FPÖ-Gemeinderätin. Die Verhandlung am Grazer Bezirksbericht soll am 9. April 2021 stattfinden. In einem gemeinsamen Statement solidarisieren sich Kultureinrichtungen und Künstler*innen mit den Betroffenen.
In ihrer Installation „Transparadox“, welche Teil der im Juli 2020 eröffneten Gruppenausstellung „Solaris“ im Grazer Schlossbergstollen ist, konnten Besucher*innen über ein halbes Jahr die Schatten von dahinter wachsenden Cannabispflanzen beobachten. Insgesamt wurden 15 Hanfpflanzen gesetzt und im Laufe der Ausstellung zum Teil auch geerntet. Die Installation hatte das Ziel, die Diskussion von Cannabis erneut zu eröffnen; das durch die Ernte gewonnene Material sollte für eine künstlerische Endform gewonnen, somit mit einer neuen Wertigkeit versehen und als Rauschmittel für immer unbrauchbar gemacht werden, so Künstler Schimpl.
Die ausgelöste Diskussion um „Unterschiedliche Sichtweisen, andersartiges Denken“ soll nun durch eine Klage abrupt abgebrochen werden. Auf einen Artikel, der im Oktober in der Kleinen Zeitung erschien, folgte eine Anzeige durch Gemeinderätin Schleicher (FPÖ). Auf der Webseite der FPÖ-Graz ist zu lesen, dass dieser „Fördergeldmissbrauch“ Anlass dafür sein soll, „vor allem im Bereich der Kultursubventionen mehr Sorgfalt und Kontrolle einzufordern.“
Die Freiheit der Kunst ist nicht schrankenlos und die offene Definition des Kunstbegriffs eine Herausforderung. Dennoch ist unabdingbar, dass Kunst auch dann der Rücken freigehalten wird, wenn sie in Bedrängnis gerät. Zumeist passiert dies, wenn Tabus gebrochen werden oder die Rechte und Freiheiten anderer berührt werden. Laut Menschenrechtsexperte Tretter steht, gemäß aktueller Rechtsprechung, die offene Definition des Kunstbegriffs „durchaus im Gegensatz zum Urheberrecht, wonach ‚eigentümliche geistige Schöpfungen‘ (…) eine bestimmte Qualität aufweisen müssen.“ Für den Schutz der Kunstfreiheit ist aber die „Intentionalität des künstlerischen Schaffens im Sinne einer Überhöhung oder einer Abstraktion“ ausschlaggebend. Arts Rights Justice Austria steht der Aussage der Staatsanwaltschaft, dass das „Projekt einen endenwollenden ‚eigenschöpferischen‘ Gehalt aufweist“ kritisch gegenüber.
Klagen sind Mittel der Einschüchterung. Sie sind eine psychische wie auch finanzielle Belastung für die Betroffenen: Der erste Verhandlungstermin am Bezirksgericht Graz-Ost wurde aufgrund Erkrankung der Richterin auf April verschoben. Von der Entscheidung hängt allerdings nicht nur ab, ob die Förderung der Stadt Graz teils zurückgezahlt werden muss, sondern auch ob zukünftige Projekte realisiert werden können. So hängt auch die Verlängerung des Mietvertrages mit der Immobiliengesellschaft Graz über die Ausstellungsräume von der Gerichtsentscheidung ab.
Arts Rights Justice Austria zeigt sich solidarisch mit den Künstler*innen und fordert die Unterstützung der Kunstschaffenden durch Stadt, Land und Bund. Die Sicherstellung von Freiräumen für Kunst und Kultur ist unabdingbarer Bestandteil demokratischer Gesellschaften.
Erstunterzeichner*innen
Organisationen & Einrichtungen
Arts Rights Justice Austria / Dachverband der Filmschaffenden / IG Autorinnen Autoren / IG Bildende Kunst / IG Kultur Österreich / IG Kultur Steiermark / IG Übersetzerinnen Übersetzer / Kulturrat Österreich / kulturen in bewegung / kultur spiel räume / La Strada Graz / murauerInnen / Österreichische UNESCO-Kommission / Schaumbad | Freies Atelierhaus Graz / this human world / Verband Freier Rundfunk Österreich
Kunst- und Kulturschaffende
Acorne Nick, Komponist und Sound Designer / Arce Sagarduy Mikel / Aschauer Katharina / Brazda Kurt, Autor und Regisseur / Dilena Katharina, Graz / Fuchs Anita / Gätjens Lena / Grossi Fausto / Hofmüller Reni, Künstlerin / Kranzelbinder David / Lederhaas Christina / Lozar Stefan / Mautner Erich Félix / Muckenhuber Michaela / Plank Gunilla, kultur spiel räume, murauerInnen / Primas Heidrun, Präsidentin Forum Stadtpark / Schrempf Werner, Intendant La Strada Graz / Schwarzwald Dr.in Helga / Sfiligoj Johannes / Thon Angelika / Trenczak Heinz / Tritthart Martina
Bild: Ada Kobusiewicz