Zukunft der Kunst- und Kulturförderung - Die Positionen der Parteien zur Wahl 2024
Im Vorfeld der Nationalratswahl 2024 haben wir die Parteien nach ihre kulturpolitischen Positionen befragt. Den Auftakt macht die Frage: Wie soll die Kunst- und Kulturförderung in Zukunft ausgestaltet sein? Das haben die Parteien geantwortet. Teil 1/3 der Serie "Kulturpolitik zur Wahl".
Die Kunst- und Kulturlandschaft ist historisch gewachsen, ebenso wie die Fördersysteme und -prioritäten. Neue Ideen, neue Zugänge, neue Akteur*innen passen oft wenig in diese Struktur: Soll das Fördersystem reformiert werden und wenn ja, wie? Braucht es eine Kunst- und Kulturstrategie und warum?
Die Antworten der Parteien*, sortiert nach den Wahlergebnissen der letzten Nationalratswahl 2019:
ÖVP: "Die Kunst und Kultur ist ein wichtiger Bestandteil Österreichs. In den letzten Jahren konnten unter der schwarz-grünen Regierung viele Verbesserungen für den Kunst- und Kulturbereich umgesetzt werden. Alleine das Kunst- und Kulturbudget ist von 455,1 Mio. Euro (2019) auf mittlerweile 668,8 Mio. Euro gestiegen. Natürlich gehören Fördersysteme über die Jahre hinterfragt und gegebenenfalls weiterentwickelt. Das österreichische Beiratssystem ist an und für sich ein gutes System, dass auch laufend angepasst und modernisiert wird. Überarbeiten, laufend evaluieren und auch neue Ideen in einer Kunst- und Kulturstrategie in Umsetzung zu bringen ist mit Sicherheit ein Gebot der Stunde. Auch die Auslandskultur bietet viele Chancen."
SPÖ: "Österreich verfügt über ein gut funktionierendes und ausgebautes System der Kunstförderung. Einige Bereiche jedoch stehen aktuell ein wenig abseits. Diese Bereiche wollen wir verstärkt ins Zentrum rücken. Sie sollen auch eine wesentliche Rolle in einer Kulturstrategie spielen und erfordern Anpassungen im Fördersystem. Eine Kunst- und Kulturstrategie im Sinne eines strategischen Nachdenkens über Kulturpolitik halten wir für sinnvoll.
Kunst und Kultur finden nicht nur in den staatlich geförderten Kulturtempeln statt, sondern auch im Grätzl, in der Schule oder in Clubs. Menschen sind zentrale Kultur-Akteur:innen und können nicht auf eine passive Rolle als Publikum oder Konsument:innen reduziert werden. Hier wollen wir eine Ergänzung der aktuellen Förderpolitik. Den Begriff davon, was als „förderungswürdige Kunst und Kultur“ gilt, wollen wir erweitern. Wir setzen uns für neue öffentliche Räume und Formate und erweiterte Formen der Kulturarbeit ein.
Das Kulturministerium soll daher verstärkt Grundlagenforschung unterstützen, Initiativen setzen, um den Zugang aller zu Kunst und Kultur zu erleichtern und sich auch bei Themen wie Digitalisierung, Urheberrecht oder künstliche Intelligenz einbringen. Im Bereich kulturelle Bildung wollen wir fest verankerte Schnittstellen zum Bildungsministerium schaffen. Darüber hinaus stärken wir die Kulturvermittlung, indem wir Kulturvermittler:innen besser sozial absichern, eine eigene Förderschiene für Kulturvermittlung schaffen und innovative Konzepte der Kulturvermittlung als Förderkriterium definieren."
die GRÜNEN: "Das Fördersystem wurde in den letzten Jahren mehrfach reformiert und ergänzt. In zahlreichen Calls wurde unterschiedlichen Bereichen und Bedarfen Rechnung getragen, wie zB Förderung von Infrastruktur, Kunstbüchern, kultureller Bildung usw. Es wird darum gehen, dies in ein nachhaltiges ökologisches Fördersystem zu implementieren. Die Kunst- und Kulturstrategie wie sie derzeit vorliegt ist in einem weitreichenden Beteiligungs- und Diskussionsprozess entstanden und zeigt somit, welche Themen im Bereich Kunst und Kultur zentral sind und wie diese umgesetzt werden sollen." – Eva Blimlinger, Die Grünen
NEOS: "Das überladene föderale System in Österreich hat im Bereich der Kunst- und Kulturförderung ein System von Doppelgleisigkeiten und Intransparenz geschaffen. Gleiches und Ähnliches wird gleich und gleichzeitig gefördert. Hier fordern wir mehr Transparenz und Professionalität zu Gunsten von Kunstschaffenden und Steuerzahler:innen.
Natürlich braucht es eine eigene Kunst- und Kulturstrategie, die laufend überarbeitet wird. Einer der Gründe ist, dass das Kulturleben oft sehr auf Wien fokussiert ist. Ganz Österreich verdient eine vielfältige und spannende Kunst- und Kulturszene. Dafür haben wir NEOS einen Reformplan auf den Tisch gelegt, der sicherstellen soll, dass die facettenreiche Kunst und Kultur in Österreich – seitens der Bundespolitik – auch im ländlichen Raum einen Fixplatz bekommt."
KPÖ: "Kulturarbeiter:innen und Künstler:innen vermessen mit ihren ästhetischen Setzungen tastend und versuchsweise die Situation und das Gefüge einer Gesellschaft, stellen dabei häufig überraschende und unvorhergesehene Bezüge zwischen entfernten Materien her und bieten probeweise Umgangsformen mit sozialen Verhältnissen und Widersprüchen an. Die Mittel dazu sind nicht immer klassische und bewährte - auf deren Materialstand sie sich (häufig) beziehen, sondern es entfalten sich in den zeitgenössischen Kunstformen neue und unbeachtete Motive, Stoffe, Zusammenhänge, Techniken, Medien, etc. - auf diese innovative Kraft in den Künsten, ihre Durchlässigkeit für neue Sichtbarkeiten und Inhalte, soll sich Kulturpolitik und Kulturverwaltung in ihrem Selbstverständnis und den Förderstrukturen zunehmend beziehen.
Kunst und Kultur verstehen wir als wichtig Bildungsangebote und diese sollen für alle gut und barrierefrei zugänglich sein. Aus diesem Grund schlagen wir als KPÖ eine flächendeckende und unabhängige Nicht-Besucher:innenforschung vor, welche die kulturellen Bedarfe und Hemmnisse für die Nicht-Teilhabe von vielen an den kulturellen Angeboten eruiert. Eine Kulturstrategie des Bundes muss auf die Ergebnisse dieser Forschung aufbauen und Anstöße zur breiteren, klassenlosen Zugänglichkeit der Kulturangebote umsetzen."
KEINE: "Sich für eine Selbstständigkeit im Bereich Kunst & Kultur zu entscheiden, löst einen existenziellen Überlebenskampf mit massiven finanziellen Einbußen (z.B. Arbeitslosengeld, Pension) aus. Es braucht eine deutlich stärkere Förderung neuer und „kleiner“ Akteur:innen - und weniger für pompöse und alteingesessene Großproduktionen.
Kulturschaffende machen ein lebenswertes Leben in unserer Gesellschaft erst möglich. Ihre Kunst berührt und weckt Emotionen anderer. Emotionen, die in unserer leistungsorientierten Gesellschaft verpönt sind und immer stärker in den Hintergrund geraten. Kunst & Kultur sind Grundpfeiler für soziales Zusammenleben. In Reflexionsprozessen unserer Gesellschaft, da sie Kritik (auf non-verbale Art) äußern, Ungerechtigkeiten aufzeigen, Utopien/Visionen entwickeln und somit wesentlich zu Veränderungsprozessen beitragen. KEINE Partei erkennt die Wichtigkeit von Kunst und Kultur für eine offene Gesellschaft.
Es gibt Kunst- und Kulturstrategien! Diese sollten umgesetzt und ernst genommen werden! Solange es ein Ministerium gibt, welches den Aufgabenbereich Kunst & Kultur gemeinsam mit anderen großen Themen, wie öffentlicher Dienst und Sport, schultern muss, solange ist kein ernstzunehmender Wille vorhanden, eine NEUE – für alle zugängliche - Kulturszene zu entwickeln.
Die bürokratische Belastung für Kulturschaffende muss reduziert werden. Kunst und Bürokratie passen naturgemäß schlecht zusammen. Kreativität in starre Strukturen zu pressen, erstickt das Gesamtkonzept. Der Fokus sollte darauf liegen: Akteur:innen bei der Umsetzung ihrer Projekte aktiv zu unterstützen, sowie Rahmenbedingungen zu schaffen, die adäquate Lebens- und Arbeitsbedingungen gewährleisten."
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Kulturpolitik zur Wahl
Podiumsdiskussion mit Parteivertreter*innen anlässlich der Nationalratswahl 2024
Donnerstag, 12.9.2024, 19 Uhr
Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien
und im Livestream
Es diskutieren (alphabetisch gereiht): Sabine Aigner (Keine), Eva Blimlinger (Grüne), Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), Nikolaus Kohlberger (KPÖ) und Josef Schellhorn (Neos). Angefragt, noch ohne Zusage: ÖVP, Bierpartei.
Moderation: Lisa Mayr-Sinnreich (Arbeiterkammer Wien, vormals „Der Standard“).
Eine Veranstaltung des Kulturrat Österreich, dem Zusammenschluss der Interessenvertretungen von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden.
*Die Befragung der Parteien wurde vom Kulturrat Österreich in Vorbereitung der Podiumsdiskussion durchgeführt; Die Antworten wurden ungekürzt, lediglich leicht redigiert, so sich Tippfehler eingeschlichen haben, wiedergegeben. Einleitung und Titel von IG Kultur Österreich.