Dauerbaustelle: Fair Pay & Soziale Lage - Die Positionen der Parteien zur Wahl 2024
Im Vorfeld der Nationalratswahl 2024 haben wir die Parteien nach ihre kulturpolitischen Positionen befragt. Was planen die Parteien in Punkto "Fair Pay für Kunst- und Kulturarbeit"? Was braucht es um die soziale Lage der in Kunst und Kultur Tätigen zu verbessern? Das haben die Parteien geantwortet. Teil 2/3 der Serie "Kulturpolitik zur Wahl".
Fairpay hat sich als Idee etabliert – welche konkreten Schritte möchte ihre Partei setzen, um dem Ziel fairer und angemessener Bezahlung für alle in Kunst und Kultur näher zu kommen? Welche Probleme in der sozialen Absicherung sollen vordringlich gelöst werden?
Die Antworten der Parteien*, sortiert nach den Wahlergebnissen der letzten Nationalratswahl 2019:
ÖVP: "Künstlerinnen und Künstler stehen oft vor einer herausfordernden Einkommenssituation und haben Schwierigkeiten bei der sozialen Absicherung. Ein wichtiger Schritt wäre hierbei in erster Linie die Anhebung der Beitragszuschüsse des KSVF zu den Sozialversicherungszahlungen. Ein weitere wichtige Maßnahme wäre die Beseitigung der Lücken im Versichertenverlauf."
SPÖ: "Das Kulturministerium bestimmt mit der Art und der Höhe der Förderungen maßgeblich Arbeits- und Lebensbedingungen von Kreativen mit. Wir wollen daher die öffentliche Kulturförderung aktiv darauf ausrichten, die soziale und ökonomische Lage von Künstler:innen zu verbessern. Dafür machen wir u.a. Fair Pay zur Förderbedingung. Durch den Ausbau von Mehrjahresverträgen inklusive Valorisierungen schaffen wir mehr Planungssicherheit für Kulturinstitutionen
Maßnahmenpaket für eine bessere soziale Absicherung:
- Künstler-Sozialversicherungsfonds: Sicherung der Finanzierung, Ausbau der Leistungen, Erhöhung des Zuschusses, Erleichterung des Zugangs und Ausweitung der Zuschussberechtigten
- Krankengeld: Sofortige Auszahlung des Krankengeldes ab dem vierten Tag der Krankheit und eine lückenlose Absicherung bei langer Krankheit, kein Selbstbehalt für Selbständige beim Arztbesuch
- Arbeitslosenversicherung: Erleichterung des Zugangs zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbständige, Höherbewertung bestimmter Versicherungszeiten und abweichendes Berechnungsmodell für Berufe, bei denen häufig wechselnde und befristete Anstellungen üblich sind, Zuschussmöglichkeit durch den Künstler-Sozialversicherungsfonds, Ruhendmeldungen für alle Solo-Selbständigen.
- Maßnahmenpaket gegen Altersarmut
- Tarifverträge auch für Solo-Selbständige inkl. Anpassungen im Kartellgesetz
- Faire Vergütungen von Kreativen im Digitalbereich: direkter Vergütungsanspruch bei Download und Streaming, faires Abrechnungsmodell, umfassendes Urhebervertragsrecht, angemessene Vergütung bei Training von KI-Systemen mit geschützten Werken."
GRÜNE: "Fairpay hat sich nicht nur als Idee etabliert, sondern wurde durch massiv erhöhte Budgets auch tatsächlich umgesetzt. Selbstverständlich soll dies für alle Bereiche von Kunst und Kultur erreicht werden – dies kann jedenfalls nur weiterhin durch höhere Budgets für Kunst und Kultur erreicht werden. Wir nehmen uns weiter vor, die soziale Lage von Künstler:innen kontinuierlich zu verbessern. Das heißt vor allem, faire Bezahlung weiter voranzutreiben und den Beitragszuschuss zum Künstler:innen-Sozialversicherungsfonds zu erhöhen und dauerhaft abzusichern. Der Fonds muss ausreichend dotiert, evaluiert und jedenfalls weiterentwickelt werden." – Eva Blimlinger, Die Grünen
NEOS: "Hier liegen Reformvorschläge auf dem Tisch, aber der Mut hat den Altparteien immer gefehlt. Wir müssen die soziale und versicherungsrechtliche Absicherung von Kunstschaffenden ihrer Erwerbsrealität anpassen und entbürokratisieren. Gleichzeitig braucht es endlich Schritte, um die Altersarmut im Kulturbereich zu verringern. Die Ideen liegen seit Jahren im Kulturausschuss und werden dort von den Regierungen immer nur vertagt.
Gerade bei geförderten Projekten / Vereinen und Institutionen sollen Mindesthonorare bezahlt und eingehalten werden - dies muss auch bei den Förderabrechnungen lückenlos nachgewiesen werden, ansonsten soll keine Förderung ausbezahlt werden."
KPÖ: "(Ehrenamtliche) Kulturarbeit wird häufig durch eine andere Lohnarbeit gegenfinanziert und verursacht häufig auch prekäre Erwerbsbiografien, ohne sozial gut abgesicherte Perspektiven - die KPÖ fordert bundesweit einen gesetzlichen Mindestlohn für alle Arbeitnehmer:innen von mindestens 2400€ brutto und eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Personal- und Lohnausgleich auf 30 Wochenstunden. Lebensphasen zwischen Projekten sollen vom AMS als Weiterbildungszeit im Sinne der Kulturarbeiter:innen und nicht als Sanktionszeit angesehen werden. FairPay gilt es budgetär ausreichend auszustatten und bei Förderungen durch die öffentliche Hand unbedingt sozialverträgliche und mit den Interessenverbänden der unterschiedlichen Sparten ausverhandelte Mindesthonorare einzuhalten. Als KPÖ setzen wir uns für die Einführung einer progressiven Millionärssteuer für Vermögen ab 1 Million Euro und die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer ab 1 Million Euro ein - das Kulturland Österreich kann damit gute und sichere Arbeitsplätze in Kunst und Kultur schaffen."
KEINE: "Es ist ganz einfach. Um diesem Ziel näher zu kommen, muss vor allem das Budget für Subkulturen erhöht werden. Es hilft nicht, Fair Pay Empfehlungen als gut und wichtig anzusehen, wenn Fördergeber nicht über die Mittel verfügen, diese auch umzusetzen. Dazu braucht es eine Strategie, die eine flexible Budgetierung beinhaltet, durch die Budgetanteile der Hochkultur gezielt in die Förderung von Subkulturprojekten fließen. Auch die Kollaboration zwischen Hochkultur und Subkultur sollte gefördert werden, z.B. indem Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden, gemeinsam Projekte organisiert und durchgeführt werden, uvm. Dringlich zu lösen sind die Probleme mit der Arbeitslosen-, Kranken-, und Pensionsversicherung. In unserem Programm zum Grundeinkommen haben wir dazu lösungsorientierte Vorschläge, um Altersarmut und Armut generell zu beenden."
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Kulturpolitik zur Wahl
Podiumsdiskussion mit Parteivertreter*innen anlässlich der Nationalratswahl 2024
Donnerstag, 12.9.2024, 19 Uhr
Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien
und im Livestream
Es diskutieren (alphabetisch gereiht): Sabine Aigner (Keine), Eva Blimlinger (Grüne), Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), Nikolaus Kohlberger (KPÖ) und Josef Schellhorn (Neos). Angefragt, noch ohne Zusage: ÖVP, Bierpartei.
Moderation: Lisa Mayr-Sinnreich (Arbeiterkammer Wien, vormals „Der Standard“).
Eine Veranstaltung des Kulturrat Österreich, dem Zusammenschluss der Interessenvertretungen von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden.
*Die Befragung der Parteien wurde vom Kulturrat Österreich in Vorbereitung der Podiumsdiskussion durchgeführt; Die Antworten wurden ungekürzt, lediglich leicht redigiert, so sich Tippfehler eingeschlichen haben, wiedergegeben. Einleitung und Titel von IG Kultur Österreich.