Vereinbarkeit – Ein Rundumschlag.
Die Mutter als wichtigste und idealerweise nonstop verfügbare Bezugsperson gilt noch immer als das Beste für das Kind, so die Grundeinstellung. Bedauerlicherweise ist diese Haltung die ideologische Tapete für alle Strukturen bzw. für die verschiedensten Unerfreulichkeiten mit denen Betreuung suchende Eltern (die ich hier als jene Personen definiere, die das Sorgerecht haben) permanent konfrontiert sind.
Die Vereinbarkeitsproblematik ist eines jener Themen, die auf wissenschaftlicher Ebene (egal mit welchem konkreten Ansatz) schon so oft abgehandelt und durchgekaut wurden, dass es keine neuen Erkenntnisse mehr gibt. Ähnlich wie die Einkommensschere zwischen den Geschlechtern oder die soziale Dauermisere im Kunstbetrieb: Alles wurde bereits gesagt, die Tatsachen können nur ein weiteres Mal vorgelegt werden, auf die Gefahr hin selbst von Gutmeinenden und/oder Betroffenen den Vorwurf zu hören, nichts Neues zu sagen. Auch die Vereinbarkeit von Kindern mit Arbeit ist so ein Dauerbrenner. Insbesondere im Kunst- und Kulturbereich, wo Kinder ohnehin die Ausnahme sind wie aktuelle Studien belegen.
Und gerade in Österreich, wo im EUropäischen Vergleich die traditionellste Einstellung gegenüber der Erwerbstätigkeit von Frauen mit (Klein-)Kindern herrscht. Denn die Mutter als wichtigste und idealerweise nonstop verfügbare Bezugsperson gilt noch immer als das Beste für das Kind, so die Grundeinstellung. Bedauerlicherweise ist diese Haltung die ideologische Tapete für alle Strukturen bzw. für die verschiedensten Unerfreulichkeiten mit denen Betreuung suchende Eltern (die ich hier als jene Personen definiere, die das Sorgerecht haben) permanent konfrontiert sind. Denn kommen zum Wunsch nach „Fremdbetreuung“ unter der absoluten Tabugrenze von zwei Jahren noch andere „Auffälligkeiten“ dazu wie ein atypisches Erwerbsleben, ein nicht-österreichischer Pass, beides ohne den gleichzeitigen Besitz beachtlicher Reichtümer, so wird es schnell einmal ganz schwierig eine leistbare Tagesbetreuung zu organisieren. Über pädagogische oder andere qualitative Ansprüche sei hier mal großzügig hinweg gesehen.
So schwer es ist, Unter-Zweijährige legal betreuen zu lassen umso vielfältiger blühen die Blumen des Schwarzmarktes. Kindermädchen (nie Kinderbuben) gibt es mit jeder Vorbildung, Fremdsprachenkenntnissen und pädagogischer Ausbildung. Wer das nötige Kleingeld hat, kann sich somit in der Schattenwirtschaft holen, was der Sozialstaat verwehrt. Besonders beliebt sind natürlich die Abendkindermädchen, also Babysitterinnen. Wiederum eine bloße Kostenfrage. Allerdings kann auf diesem Wege Eltern die Nachtaktivität ermöglicht werden – von der Arbeit über die Vernetzung bis hin zum Privatleben. Denn vieles ist eben nur abends möglich – Vorträge, Eröffnungen, Parties – jene Foren eben, wo informelle Informationen getauscht und Netzwerke aufrechterhalten werden. Die Grundlagen prekarisierter Wissensarbeit eben. So ein bisschen Herumplaudern muss die Babysitterin schon wert sein. Dasselbe gilt für Abendsitzungen oder Arbeitsbesprechungen. Spannend ist dabei auch, wie leicht der Umstand, dass Menschen Kinder haben KollegInnen von Treffen zu Treffen aus dem Gedächtnis fällt, so dass jedes Mal gebetsmühlenartig darauf hingewiesen werden muss, worauf in der Regel immer genervtere „Selber-schuld“-Blicke fallen. Die besonders pikante Mischform „Wochenende“ will ich hier mal außen vor lassen. Dabei ist bemerkenswert, dass auch in kritischen Kontexten, wo eine hohe Sensibilität gegenüber (strukturellen) Diskriminierungen vorhanden ist, Kinder und ihre Folgen nicht zu existieren scheinen. Damit soll nicht von strukturellen Mängeln in der Kinderbetreuung oder von nicht vorhandenen Anreize für Väter usw. usf. nicht abgelenkt werden – dort liegt das zentrale Problem. Doch ein ignorantes Umfeld verstärkt eben vorhandene Schwierigkeit.
Geradezu rührend muten in diesem Kontext die Gender Mainstreaming-Feigenblätter einer „Kinderbetreuung“ bei Veranstaltungen an. Hat sich eigentlich schon jemand mal Gedanken darüber gemacht, wie sinnvoll es ist, Säuglinge und Volksschulkinder mit einer Person (Wie groß sind eigentlich die Gruppen? Wer betreut?), die diese vermutlich noch nie im Leben gesehen haben in einem Hinterzimmer einer Veranstaltung abends aufeinander knallen zu lassen? Hat schon jemals jemand von diesen gut meinenden AnbieterInnen Menschen mit Kindern gefragt, warum diese ihr Angebot vielleicht nicht in Anspruch nehmen? Aber immerhin, es gibt die Garantie, nach einer Veranstaltung ein lebendes Kind rückerstattet zu bekommen und gratis ist es auch. Zumindest besser als allein zuhause oder im Auto. (Und das ist an dieser Stelle nicht einmal zynisch gemeint, schön wäre es.) Da heißt es dann schon dankbar sein.
An dieser Stelle sei auf den besonders langweiligen Teil des ganzen Themas hingewiesen, dass es natürlich nicht so ist, dass die „Betreuungspflichten“ von Männern wie Frauen gleichermaßen wahrgenommen werden. Denn in der Realität fliegt die Mutter aus der Kurve wo für den Vater gar keine ist, bei entsprechender Vermarktung der eigenen Väterlichkeit kann sogar noch ein kleiner Statusgewinn dazu gewonnen werden und – um die Metapher zu vollenden – er schafft es im günstigsten Fall bis auf die Überholspur. Trennt mann sich von Kindsmutter und Kind ohne letzteres völlig aus seinem Leben zu verbannen, ist ihm allgemeine Bewunderung à la „Der kümmert sich aber wirklich!“ sicher. Dankbarkeit ist ja generell eine wichtige weibliche Tugend und vor allem für Mütter unverzichtbar. Die meisten Frauen mit Kindern verschwinden jedoch einigermaßen leise von der Bildfläche. Manchmal wird auch wohlwollend nachgeholfen. Günstig ist es hier, Schwangerschaft und Geburt so weit als möglich diskret zu verbergen, findet sich doch auch in avancierten Kunst- und Wissenschaftszirkeln das meritorische Argument „Jetzt wo Sie ein Baby bekommen, werden Sie ja wohl keine Zeit haben…“. Und die anderen werden einfach rausgemürbt.
Aber wie gesagt, das ist alles nicht neu. Es ist alt. Es ist sogar so alt, dass sich über genau dieselben Punkte schon manch progressivere Großmutter hatte ärgern müssen und die Generation meiner Mutter soundso. Insofern ist es ein gutes Gefühl mit diesem Artikel ein überzeitliches Dokument geschaffen zu haben, das vielleicht meine Enkelkinder auch noch einmal verwenden können, denn an Aktualität wird er wohl kaum einbüßen.
Elisabeth Mayerhofer ist Mitglied der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien (FOKUS)