VorRisse

Nach Sound of Europe ging die österreichische EU-Präsidentschaft Anfang Mai mit dem europaweiten „Kulturprojekt“ Café d’Europe in die nächste Runde. Die Inszenierung eines europäischen Gemeinsamen war in mehrerer Hinsicht kennzeichnend...

Nach Sound of Europe ging die österreichische EU-Präsidentschaft Anfang Mai mit dem europaweiten „Kulturprojekt“ Café d’Europe in die nächste Runde. Die Inszenierung eines europäischen Gemeinsamen war in mehrerer Hinsicht kennzeichnend: Das Kaffeehaus wurde zwar auf der Website in einem Zitat des Kulturpessimisten George Steiner als Ort des Diskurses, der Verschwörung und des Widerstands ausgewiesen, aber ebenso wie die darin präsentierte Literatur der entpolitisierten Sphäre einer reinen Repräsentationskultur einverleibt. Mit „Sweet Europe“ sollte die „emotionale und kulturelle Vielfalt Europas“ entdeckt werden, und zwar mit fein säuberlich nach nationaler Zugehörigkeit getrennten „typisch europäischen Mehlspeisen“. Damit wurde einmal mehr der Mechanismus identitär-kulturalistischer Selbstverortung mit Bezug auf die Nationalkultur in Gang gesetzt, während der Europa-Diskurs auf die Eben des Kulturellen verschoben wurde.

Genau diesen postmodernen Zustand des „cultural turn“, das generelle Phänomen der Kulturalisierung des Politischen, beschreibt Boris Buden in seinem Text als jenen Kontext, in dem der Begriff der kulturellen Übersetzung, dem der Schwerpunkt des vorliegenden Hefts gewidmet ist, an Bedeutung gewonnen hat. Die sechs Schwerpunkttexte stammen aus einer Kooperation der Kulturrisse mit dem Projekt „translate. Beyond Culture: The Politics of Translation“, das es sich zum Ziel gesetzt hat, ausgehend von einer grundlegenden Kritik des Begriffs der kulturellen Übersetzung diesen auf die Möglichkeit seiner politischen Artikulation hin zu untersuchen.

Boris Buden zeigt, dass der Begriff der kulturellen Übersetzung in den beiden einander widersprechenden Paradigmen der Postmoderne auftaucht: einerseits in einem liberal-multikulturalistischen Sinn als die Übersetzung zwischen verschiedenen „Kulturen“ (inter-cultural translation), andererseits in einem dekonstruktivistischen Ansatz, der die Vorstellung einer in sich originellen „Kultur“ radikal in Frage stellt. Nur in dieser zweiten Form ist eine Politisierung des Begriffs möglich.

Auch Rastko Mocnik kritisiert die Kulturalisierung als Zerstörung der politischen Sphäre und untersucht ausgehend vom romantischen Begriff der Übersetzung die Produktion von „Tradition“ in Auseinandersetzung mit einem „Original“ oder Vor-bild. Es war Walter Benajmin, mit dem die Übersetzungstheorie die Vorstellung eines Originals aufgegeben hat. Hito Steyerl nimmt diesen Ansatz auf und wendet Benjamins Konzept einer Sprache der Praxis auf die dokumentarische Form an, die sie im Kontext von Globalisierung und Massenmedien als „Negativ einer kommenden Öffentlichkeit“ untersucht. Stefan Nowotny nimmt die Annahme, „Kultur“ drücke etwas aus, zum Anlass für eine Analyse von Übersetzung als Problem des Ausdrucks im Umfeld der Cultural und Postcolonial Studies, während Encarnación Gutiérrez Rodríguez Übersetzung als Werkzeug transversalen Verstehens und als Methode des Denkens jenseits von Identität und Differenz diskutiert. Dieter Lesage wiederum glaubt an die Übersetzbarkeit des bisher auf die Ebene des Nationalstaats begrenzten Konzepts der Demokratie auf die Ebene des Globalen.

Parallel zu den Kulturrissen erscheinen erweiterte Versionen der Beiträge als eipcp-Webjournal auf translate.eipcp.net.

Ähnliche Artikel

Person mit Lupe und blauer Sonnenbrille blickt in die Kamera Von „Eh klar!“ bis „Schau‘ma mal!“ – Verträge aufsetzen gehört meist nicht zu den beliebtesten Teilen der Kulturarbeit. Grund genug, sich in unserer 2-stündigen Online-Session praktische Tipps zur Gestaltung und Verhandlung von Verträgen abzuholen! Mit besonderem Fokus auf Werkverträge beleuchten wir, auf welche Punkte es ankommt und dass ein Vertrag nicht immer kompliziert sein muss. 8. November, 15:30 Uhr – Teilnahme für Mitglieder kostenlos.
Laptops von oben am Tisch, Menschen die zusammenarbeiten. Vollzeit vs. Teilzeit, befristet vs. unbfristet, Arbeitszeiten, Home Office – es gibt viele Möglichkeiten, die Zusammenarbeit im Kulturbetrieb zu gestalten. Da Kulturvereine vielfach auch Arbeitgeber sind, wollen wir euch in dieser Rolle unterstützen und mit den wichtigsten Basics aus dem Arbeitsrecht versorgen. In unserer Online-Session am 27. September könnt ihr euer arbeitsrechtliches Wissen vertiefen und euch Tipps zur Gestaltung von Arbeitsverträgen abholen. Anmeldung unter @email.
Bild mit Brille und Sprechblasen mit Paragraphen in schwarz-weiß Wann ist eine Anstellung erforderlich und welche Tätigkeiten lassen sich auf Werkvertragsbasis erbringen? Gibt es Mischformen? Wie sieht es mit Befristungen aus? Einen guten Überblick zu haben und den rechtlichen Rahmen zu kennen, lohnt sich allemal. Wie ihr auf der sicheren Seite seid, erfahrt ihr in unserer Online-Session am 13. September, 15:30 Uhr. Teilnahme für Mitglieder kostenlos, Anmeldung erforderlich.