VorRisse

Seit der Räumung des Ungdomshuset, einem besetzten Jugendzentrum in Kopenhagen, das heuer sein 25jähriges Bestehen gefeiert hätte, ist die Frage nach aktiver (Frei-)Raumbeschaffung durch Besetzung wieder verstärkt in den Fokus medialen Interesses gerückt.

Seit der Räumung des Ungdomshuset, einem besetzten Jugendzentrum in Kopenhagen, das heuer sein 25jähriges Bestehen gefeiert hätte, ist die Frage nach aktiver (Frei-)Raumbeschaffung durch Besetzung wieder verstärkt in den Fokus medialen Interesses gerückt. Historisch betrachtet ist in diesem Kontext auch Österreich (k-)eine „Insel der Seeligen“, waren es doch die Besetzungen der 1980er und 1990er Jahre, die einige bis heute bestehende soziokulturelle Zentren dem unnötigen Leerstand oder der Abrissbirne entrissen. Die (zwischenzeitliche) Nutzung leerstehender Räume (allein in Wien sollen es an die 600.000m2 sein) schafft es bisher dennoch nicht, als Alternative zu überteuerten Mietwohnungen und Obdachlosigkeit gesellschaftliche Anerkennung zu finden. Dabei lässt sich das Thema „(Frei-)Räume“ keineswegs auf solche ökonomischen Aspekte reduzieren, geht es bei diesen doch stets auch um politische und kulturelle Fragen wie etwa um die Zuerkennung eines Mindestmasses an gesellschaftlicher Autonomie und Selbstbestimmtheit gegenüber staatlichen oder marktvermittelten Zwängen.

Robert Foltin skizziert in seinem Beitrag zum Schwerpunkt der aktuellen Kulturrisse-Ausgabe das Spannungsfeld, in dem „Freiräume“ nicht nur in Wien erkämpft und verteidigt wurden. Zwar mag er sich dabei mit dem Vorwurf der Kommerzialisierung der Lesbenbewegung irren, weil es im Unterschied zum „double income“ schwuler Mitstreiter immer auch noch Sexismus gibt. Doch zeigt er mit seinem Vorschlag, Revolution als Prozess zu sehen, eine undogmatische Lesart jener Kämpfe auf, die mit der Eroberung und dem Erhalt solcher Räume meist einher gehen. Als implizite Replik auf den angesprochenen Kritikpunkt liest sich dann auch Marty Hubers Artikel zu „25 Jahre Rosa Lila Villa“, einem der wenigen selbstverwalteten Hausbesetzungsprojekte in Wien, die bis heute überlebt haben. Lange Zeit außerhalb des gesetzlichen Rahmens der Legalität stehend, etablierte sich die Villa schließlich als Community Zentrum, das nicht unberührt blieb von Fragen der Verwertbarkeit.
In Amsterdam hingegen wird, wie K. Ploeg in seinem Artikel zeigt, das Recht auf günstigen Wohnraum nach wie vor häufig – und zumeist sonntäglich – erstritten. Diese praktische Sache ermöglicht es zahlreichen Menschen, Wohn- und meist auch soziokulturellen Raum für sich und andere zu schaffen. Leider werden diese Orte aber genauso häufig und oftmals unter massivem Polizeieinsatz geräumt. Aber nicht nur im Hinblick auf soziokulturelle Zentren werden die (Frei-)Räume unter den bestehenden Verhältnissen immer enger, wie bspw. auch Josip Rotar anhand der Schließung des Art Center in Moravske Toplice für Slowenien zeigt. Im Zusammenhang mit den sich zuspitzenden sozialen Widersprüchen gewinnt, wie erwähnt, auch die Wohnraum-Frage im Leben von immer mehr Menschen wieder beängstigende Aktualität. Wie sich diese „soziale Frage“ politisieren lässt, zeigte zuletzt die Bewegung der Obdachlosen im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in Frankreich, aber auch die aktuelle Wohnrechtsbewegung in Spanien, deren politische Programmatik im Beitrag von vdevivienda.net vorgestellt wird.

Die soziale Dimension von Räumen wird allerdings nicht nur im Kontext der zunehmenden Prekarisierung von Wohnverhältnissen sichtbar. Vielmehr ist Raum per se, wie die beiden einleitenden Texte zum Schwerpunkt von Stefan Nowotny und Gerald Raunig sowie von Bettina Mooshammer und Eva Trimmel zeigen, immer (auch) sozialer Raum – und als solcher von Macht- und Herrschaftsverhältnissen durchzogen, ebenso jedoch für Resignifizierungs-, Neuaushandlungs- und Aneignungsprozesse offen. Ein Umstand, der auch in einigen Rubrikentexten im hinteren Teil des Heftes, wie etwa in jenem zur Gemeinwesenarbeit von Ingolf Erler oder in dem zu den Kämpfen um mediale Freiräume in Südkorea von Gabriele Hadl, nachdrücklich hervorgehoben wird.

Marty Huber, Markus Griesser

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