Das Black Voices Volksbegehren
Der Tod von George Floyd und damit die Diskussion um rassistisch motivierte Polizeitgewalt haben weltweit Proteste und Demonstrationen ausgelöst. Auch in Österreich waren über 50.000 Menschen auf der Straße. Für Betroffene zieht sich das Problem Rassismus auf allen Ebenen durch ihren Alltag. Diese Probleme will nun ein neues Volksbegehren angehen: das Black Voices Volksbegehren. Sie fordern unter anderem Sensibilisierung im Bildungsbreich, Arbeitsmarktmaßnahmen, eine unabhängige Kontroll- und Beschwerdestelle gegen Fehlverhalten der Polizei. Wir haben uns mit Asma Aiad, Sprecherin des Black Voices Volksbegehren, darüber unterhalten, wie sie die Situation in Österreich sehen, was sie zu ihrem Volksbegehren motiviert hat, was sie fordern und wie sie bislang aufgenommen werden.
Patrick Kwasi: Die Tötung von George Floyd in den USA hat zu massiven Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt geführt. Wie schätzt ihr die Lage in Österreich ein?
Asma Aiad: Mit dem Tod von George Floyd wurden die Menschen weltweit daran erinnert, dass rassistisch motivierte Polizeigewalt noch immer Thema ist. Dass an den Demonstrationen weltweit so viele Menschen teilgenommen haben und das Thema auch in Österreich so stark wahrgenommen wurde liegt bestimmt daran, dass die Gewalt und Brutalität auf Video zirkuliert ist und es alle selbst sehen konnten. Viele Menschen glauben leider, dass wir das in Österreich nicht kennen würden, aber rassistisch motivierte Polizeigewalt findet nicht nur in den USA statt. Wir haben dazu eine eigene Geschichte und leider auch gegenwärtig noch Probleme damit. Dagegen muss etwas getan werden. Die Leute sollten nicht denken, hier würde gegen Polizeigewalt in den USA demonstriert. Das ist genauso in Österreich ein Problem, das angegangen werden muss.
Kwasi: Was hat euch dazu motiviert, ein Volksbegehren zu starten?
Aiad: Wir haben wahrgenommen, dass institutioneller und struktureller Rassismus in Österreich weiterwachsen. Wir haben auch gemerkt, dass viele Menschen nach den Black Lives Matter Demos in Österreich im Sommer 2020 sehr interessiert waren, dagegen auch etwas zu unternehmen. Deswegen haben wir gesagt, dass wir klare Zeichen setzen und deutliche Forderungen formulieren müssen. Wir haben überlegt, was da der nächste Schritt sein könnte und das war ein Volksbegehren, das aus der schwarzen Community kommt und Rassismus in den unterschiedlichsten Formen anspricht.
Kwasi: Wer seid ihr? Wie habt ihr euch als Gruppe gefunden?
Aiad: Wir haben uns ganz kurz nach der Black Lives Matter Demo zusammengefunden und ein ziemlich cooles Team geformt, das vielfältig organisiert ist, mit Leuten, die inhaltliche Schwerpunkte, Social Media übernehmen oder das ganze kreativ begleiten. Die Gruppe ist gemischt aus den unterschiedlichsten POCs (Anmerkung: POC = People of Color). Das Volksbegehren stammt also auch aus der schwarzen Community Österreichs aber spricht wie gesagt die unterschiedlichsten Formen von Rassismus an, auch antimuslimen, antiasiatischen Rassismus oder Antiziganismus. Es besteht also aus direkt Betroffenen, aber auch Allies sind willkommen, weil wir den Ansatz vertreten, dass Rassismus alle etwas angeht und von allen angegangen werden muss und nicht nur von Menschen, die direkt von Rassismus betroffen sind.
Wir fordern gemeinsam einen nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, der Betroffene und Expert*innen aus den unterschiedlichen Communities einbezieht. Wir möchten, das die Politik unsere Anliegen ernst nimmt und auch ganz klar etwas dagegen tut.
Kwasi: Glaubt ihr, dass es für euch aufgrund der Pandemie schwieriger wird, mit dem Volksbegehren Erfolg zu haben?
Aiad: Wir haben uns tatsächlich viele Gedanken gemacht, wie das in der Pandemie aussehen kann und wie unsere Arbeit online organisiert werden kann. Da geht es uns gerade wie vielen anderen aktivistischen Gruppierungen auch. Viele Aktionsformen fehlen uns da, wir würden gerne Stände auf Einkaufsstraßen errichten, wo man Menschen erreicht und aufklärt, Bildungsarbeit leisten kann, wir würden gern Events organisieren und Menschen erklären, wie sie mitmachen können und das geht gerade nicht. Da mussten wir kreativ werden und online unsere Möglichkeiten ausschöpfen. So haben wir aber vielleicht auch Menschen zusammengebracht, die sonst nicht zusammenkommen würden und wir haben jetzt im Rahmen des Black History Month tolle Veranstaltungen mit tollen Speaker*innen bieten können, die wir sonst vielleicht nicht gekriegt hätten oder vielleicht nicht am selben Tag am selben Ort hätten sein können. Da hilft das Digitale auch.
Die Erstorganisierung der Eintragungswoche mit über 10.000 Unterzeichnungen war auch sehr erfolgreich, da waren wir sehr glücklich darüber, dass schon beim ersten Mal so stark mobilisiert werden konnte. Das zeigt auch noch einmal, dass das Thema ein Anliegen für viele Menschen ist, die Rassismus satt haben. Deshalb sind wir sehr optimistisch und motiviert, dass wir bis zum Frühjahr 2022 unsere 100.000 Stimmen schaffen werden und dieses Volksbegehren erfolgreich ins Parlament bringen können.
Kwasi: Was genau sind denn eure Forderungen?
Aiad: Wir fordern einen nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, der viele unterschiedliche Bereiche beinhaltet. Wir wollen, dass unterschiedliche Formen von Rassismus in verschiedenen Bereichen angesprochen werden. Da sind Themen wie Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheit, Repräsentation, Polizei, Flucht und Migration vorhanden, in dem wir wiederum einzelne Forderungen haben, die zeigen, wie viele Probleme es da gibt, in denen man noch viel machen müsste und zwar auch präventiv. Man muss voraussehend vorgehen. Wenn wir uns nicht schon in der Schule mit dem Thema Rassismus beschäftigen und Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit leisten, dann ist es klar, dass Menschen sich der Privilegien in der Gesellschaft nicht bewusstwerden und die gar nicht wissen, was man dagegen machen kann. Deshalb ist uns der Bildungsbereich sehr wichtig. Die Geschichte von Kolonialismus muss im Unterricht stärker behandelt werden.
Ein anderes wichtiges Thema ist Gesundheit. Das Thema Diversität in der wissenschaftlichen Forschung muss stärker beachtet werden. Es werden beispielsweise Krankheiten, die Menschen mit anderen Hautfarben haben, teilweise gar nicht richtig diagnostiziert. Da muss ein Ausbau stattfinden, wie wir ihn aus der Kinder- und Gendermedizin kennen.
Kwasi: Hat die Politik ein offenes Ohr für die Anliegen? Wie werdet ihr bislang aufgenommen?
Aiad: Bisher haben wir den Support von einigen Politiker*innen erhalten und von verschiedenen politischen Parteien Vertreter*innen unter unseren Unterstützer*innen gelistet, die das Volksbegehren mittragen und uns auch versprochen haben, es in ihre Parteien hineinzutragen. Das ist uns sehr wichtig, wir adressieren die Politik klar mit unseren Forderungen. Dabei ist zum Beispiel Mireille Ngosso, Gemeinderätin der SPÖ oder Faika El-Nagashi, Nationalratsabgeordnete der Grünen, die das ganze vom Tag 1 weg mitgetragen haben und in die Politik gebracht haben. Wir haben aber auch noch weitere Unterstützende von den Grünen, der SPÖ und den NEOS.
Anfang März startet unser Crowdfunding für finanzielle Unterstützung um uns bei diversen Kosten zu helfen, die die Kampagne verursacht, um das Volksbegehren auch erfolgreich abschließen zu können.
Kwasi: Österreich hat traditionell eine eher konservative Mehrheit. Welche Forderungen glaubt ihr, können realistischerweise in absehbarer Zukunft umgesetzt werden?
Aiad: Ich glaube, dass die Forderungen, die wir haben, nicht gleich morgen umgesetzt werden können. Das sind langfristige Ziele. Es gab aber bereits sehr wichtige Schritte in Richtung nationaler Aktionsplan gegen Antisemitismus. Auch das Gesetz gegen Hass im Netz ist ein gutes Zeichen. Zum Thema Bildung finden wir ebenfalls Kooperationen, die sich interessiert zeigen, das Thema stärker einzubringen. Da glaube ich, dass sehr bald sehr viel stattfinden kann. Wir hoffen auch, dass beim Thema Öffentlichkeit und Repräsentation Institutionen und Firmen offener dafür werden, wenig repräsentierten Menschen mehr Raum zu geben. Wir hoffen auch, dass beim Thema Polizeigewalt und Flucht etwas bewirkt werden kann. Da gibt es enorme Fehlstellungen, wo dringend dagegen vorgegangen werden muss. Es müssen unterschiedliche Bereiche gleichzeitig angegangen werden. Das macht unser Volksbegehren umso wichtiger und die Punkte umso dringlicher.
Kwasi: Wie kann man euch unterstützen?
Aiad: Wir brauchen unbedingt die Unterschriften! Wir brauchen aber auch nicht nur Menschen, die unterschreiben und das war’s, sondern auch Leute, die helfen, damit andere unterschreiben! Anfang März hat unser Crowdfunding begonnen und wir brauchen jeden Euro, um uns weiter organisieren zu können. Das ist bei Startnext zugänglich und man kann uns mit einer Spende unterstützten und einen wichtigen Beitrag für eine gerechtere Gesellschaft leisten.
Also zusammengefasst: Unterschreiben – Menschen im Umfeld organisieren – eine Spende hinterlassen, die hilft, das Projekt weiter zu organisieren.
Asma Aiad BA ist Sprecherin des Black Voices Volksbegehren. Sie ist Aktivistin, Jugendarbeiterin und Künstlerin. In ihrer aktivistischen und künstlerischen Arbeit beschäftigt sie sich mit Antirassismus, Feminismus und der Dekonstruktion von Stereotypen. |
Zur Website des Black Voices Volksbegehren
Zum Crowdfunding für das Black Voices Volksbegehren
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