Einstieg in den Kulturbereich: Vom Ehrenamt bis zur Karriere.
Anziehungskraft des Kulturbereich unterscheidet sich für alle ein wenig, ob es das Interesse für eine bestimmte Musikrichtung ist oder der Freundeskreis involviert ist. Viele rutschen in ihrer Jugend auch aus Tatendrang in den Sektor, um etwas auf die Beine zu stellen, dass dem eigenen Empfinden nach fehlt. Aus dem klassischen Ehrenamt wird dann manchmal ein Job oder auch eine Karriere daraus. Da sich der Sektor in den letzten Jahrzehnten stark professionalisiert hat, gibt es aber auch bereits ein paar Leute vorwiegend jüngerer Generationen, die direkt den Einstieg in die Professionalität schaffen, sozusagen von der Uni ins Projektmanagement. Die Regel ist es nicht in einem Bereich, der stark von persönlichem Engagement, Idealismus, Selbstentfaltung und leider auch Selbstausbeutung getragen wird. Ich habe mich bei Menschen in Kunst und Kultur aus verschiedenen Bundesländern, Ausrichtungen und verschiedenen Generationen, von den zarten Anfängen der Post-68er und der Hausbesetzungen bis zur jüngeren Generation Kulturtätiger, umgehört, wie ihnen der Einstieg gelungen, bzw. meistens eher passiert ist. Und dazu habe ich ja auch eine Kleinigkeit zu erzählen.
Für viele junge Menschen, ganz gleich aus welcher Generation, war der Einstieg in den Kulturbereich die Musik. Hans Oberlechner hat sich in seiner Jugend Ende der 1970er Jahre für Musik interessiert, die nicht dem Mainstream entspricht. Es ging dabei schon um die Suche nach neuen Ausdrucksformen. Über Freunde ging der Weg zum Jugendzentrum St. Johan. So wurde Oberlechner zum Veranstalter im Jugendzentrum, dann auch für andere Veranstaltungsformen, im Theaterbereich oder für Lesungen. Angezogen hat ihn aber immer auch die kritische und widerspenstige Haltung der freien Kultur. Obwohl er über fünfzehn Jahre später angefangen hat, zeigt auch Klemens Pils einen ganz ähnlichen Anfang. Bei ihm war es Punk Rock, der ihn angezogen hat, als er als Schüler nach Linz kam. Die Schiene haben für ihn auch Jugendzentren gelegt, wie das Ann&Pat, die ihn schließlich zur KAPU führten. Im Dunstkreis von Punk Rock und Antifa war es bei ihm auch eine Haltung, um die es dabei ging. Auch Andreas Fränzl, Sänger der Band Bauchklang und bei Lames in St. Pölten aktiv, hat es über die Musik und die Möglichkeit, selbst Veranstaltungen auf die Beine zu stellen, in die freie Szene gezogen. Ende der 90er versuchte sich auch der junge Musiker Simon Hafner in Graz selbst daran, Veranstaltungen zu organisieren. Darüber ergab sich schließlich die Arbeit bei der IG Kultur Steiermark.
Auch mich selbst zog zunächst die Musik an und ich klopfte beim Kulturzentrum Hof in Linz an, die mich Flyer verteilen ließen oder kleine Jobs bei Veranstaltungen gaben. Darüber ging es jedoch nie hinaus, austoben konnte ich mich erst bei Aktionen, die wir uns selbst im Freundeskreis ausgedacht haben - die noch nicht mal an Vereinsstrukturen angebunden waren. Auch Michaela Schoissengeier, Gründerin von FIFITITU% in Linz, kam das Umfeld zur Kultur. Als ein Freund im Mühlviertel eine alte Schnapsbrennerei erbte, kam ihnen die Idee, dort Bands einzuladen und Ausstellungen zu machen und ein Angebot zu liefern, dass ihnen am Land fehlte. Diese Leerstelle erwähnt auch Andreas Fränzl, nämlich in St. Pölten ein Angebot aufzustellen, dass zu kurz kommt, vor allem da man unter der Nähe und dem Überangebot in der Bundeshauptstadt ein wenig leidet. Eigenständig bauten sie den Keller zu einem Partyraum um und machten in der „Brennerei“ Kulturveranstaltungen. „Im Nachhinein stellt man dann fest, dass das eigentlich so klassische ehrenamtliche Kulturarbeit war,“ sagt Yvonne Gimpel, von der IG Kultur. Auch sie kam durch den Freundeskreis zu ihrer ersten Begegnung mit der freien Szene.
Martin Wassermair, heute bei DORF TV, hat auch schon als Teenager in Grießkirchen begonnen, beim Kulturverein Rossmarkt. Er wurde dort mit offenen Armen aufgenommen. „Die Altvordern haben mich, aber auch andere in meinem Alter tatkräftig unterstützt. Wir durften machen, was wir wollten, haben Budget gekriegt, aber auch das Vertrauen,“ so Martin Wassermair über die damalige Offenheit gegenüber Nachwuchs in der freien Szene. Auch Klemens Pilsl erzählt, wie schnell er damals Konzerte veranstalten konnte. „Dann bin ich so langsam reingewachsen“, meint dazu Günter Friesinger, Vorstand der IG Kultur Wien. Erst beginnt also alles damit, etwas tun zu wollen, was sonst niemand für dich macht. Anschließend entwickeln sich daraus Jobs. „Das hat sich aber über Projekte relativ schnell professionalisiert,“ sagt Yvonne Gimpel. Von den Projekten ging es für sie zunächst zum ORF und über die UNESCO und das Ministerium, bis sich schließlich der Kreis schloss, als sie 2018 die Geschäftsführung der IG Kultur übernahm. Auch mich selbst führte es nach ehrenamtlicher Arbeit über freie Tätigkeit für die Lendhauer in Klagenfurt zu Projektstellen bei der IG Kultur, die mich schließlich unbefristet übernahm.
Doch manchmal geht es auch schneller: „Ich bin quasi reingeschlittert,“ sagt Richard Schachinger, früher jahrelang bei der KUPF OÖ und heute beim OKH Vöcklabruck. Er hat damit begonnen beim Bock Ma’s Benefizfestival für Ute Bock zu helfen, dass noch größtenteils von Studierenden auf die Bühen gestellt wurde. „Da haben wir uns extrem viel Know-How angeeignet,“ sagt Schachinger. Daraus ergab sich ein längeres Engagement, bevor Richard Schachinger mit seiner Kollegin Jolanda de Wit das OKH Vöcklabruck aufbaute. Hier ist auch De Wit eingestiegen. Sie wuchs bereits in der Gegend auf und ging in Vöcklabruck zur Schule. Dort lernte sie das Otelo und das Radionest kennen. Sie stieg bei der Demonstration 2010 ein, durch die das OKH erkämpft wurde und arbeitet nun daran, es auf und auszubauen.
Es gibt aber die Laufbahn gleich den Einstieg in den professionellen Bereich zu schaffen, häufig über das Theater, wie bei Serena Laker, die nun bei Lames in St. Pölten ist, oder auch Sebastian Linz von der ARGE Kultur Salzburg, der nach dem Studium erst mal als Regieassistent arbeitete und später über freie Tätigkeiten auf die freie Szene umgestiegen sind. Durch einen Zufall landete Anfang der 90er Jahre Andrea Hummer, später Festival der Regionen, über gute Kontakte zum Vorstand direkt bei der IG Kultur, bzw. auch der erste Job des heutigen Geschäftsführers Thomas Randisek beim Dachverband Salzburger Kulturstätten war als Assistent der Geschäftsführung, wo er sich einfach initiativ bewarb. Gabriele Gerbasits, die vom Ministerium kommend mit ihrer 25jährigen Amtsdauer die längst dienende Geschäftsführung der IG Kultur stellt, war hingegen äußerst erfahren und wechselte als Insiderin der Strukturen und mit wichtigen Kontakten die Seiten. Auch Alina Zeichen den Weg über die Institutionen, jedoch begann ihre Geschichte zwei Jahrzehnte später. Nach zwei Studien arbeitete sie lange fürs Theater und engagierte sich nebenbei für die IG KIKK in Kärnten. Heute ist sie Geschäftsführerin des UNIKUM in Klagenfurt. Auch David Prieth führte ein Doppelstudium über den Journalismus ziemlich schnell zur Bäckerei Kulturbackstube in Innsbruck. Heute führt er das p.m.k. in Innsbruck und ist im Vorstand der IG Kultur tätig.
Wenn sich der Bereich auch stark verändert hat, Studien- und Lehrgänge entstanden sind und der direkte Einstieg in Bezahljobs auch möglich ist und schon passiert, sehen wir, dass die meisten immer noch über ehrenamtliches Engagement reingerutscht sind, oft angetrieben von politischer Haltung, musikalischem Interesse, Freundeskreis oder einer Leerstelle und dem Tatendrang, sie selbst zu füllen. Die meisten wachsen immer noch über freiwillige unbezahlte Arbeit hinein in Selbstständigkeit, Projektstellen und manchmal in unbefristete Anstellungen. Das braucht Mut, aber auch gewisse Sicherheit und weniger Verbindlichkeiten. Das haben oft nur jüngere Leute und so findet man wenige Quereinsteigende, die erst später einen Branchenwechsel machen. Es gibt ja auch nicht gerade viele gut bezahlte und abgesicherte Jobs in dem Bereich. Man ist also auch auf die Jugend angewiesen.
Gleichzeitig merken wir hier auch, dass es Probleme mit einem Generationenwechsel gibt. Während man die freie Kultur früher als etwas wahrgenommen hat, wo man offen empfangen wird, sich gleich austoben kann, erzählen spätere Generationen mehr davon, wie man lange zuarbeiten darf (Stichwort „Generation Praktikum“) und sich erst später verdient hat, selbst etwas einbringen oder gar eigenständig gestalten zu dürfen. Ein Problem, denn die aktuelle Jugend fühlt sich davon offenbar wenig angesprochen. Friday for Future ging sogar ganz am Kulturbereich vorbei. Dabei gäbe es gerade dort gute Schnittstellen, Ressourcen, Räume, aber auch lokale Anbindung. Doch der Sektor ist verschlossener als früher, die Jugend agiert da lieber in digitalen Räumen, die ihnen offen stehen - an denen wiederum dem Kulturbereich häufig die Anbindung fehlt. Das kann sich rächen. Denn dadurch fehlt den Zentren und Initiativen oft die Nachfolge für langjährige Führungskräfte, wenn diese einmal in Pension gehen. Besser also, wir öffnen uns auch hier wieder jungen Generationen und erleichtern den Einstieg. Ehe wir uns abschaffen.
Beitrag als Podcast:
Mitwirkende (u.a.) Yvonne Gimpel, Alina Zeichen, Hans Oberlechner, Martin Wassermair, Simon Hafner, Jolanda de Wit, Richard Schachinger, David Prieth, Günther Friesinger, Michaela Schoissengeier, Klemens Pilsl, Andreas Fränzl, Serena Laker, Sebastian Linz