Empowern, was das Zeug hält! Zum gesellschaftlichen Wert von Kulturarbeit
Zur Generalversammlung der IG Kultur Österreich über das Vereinsjahr 2023 legte Mirjam Steinbock einen Bericht zu den Tätigkeiten des Dachverbands vor, der sich zum Abschluss ihrer Vorstandstätigkeit auch als Plädoyer für eine stärkende Haltung unter Kulturarbeiter:innen versteht.
Bericht der Obfrau zum Tätigkeitsbericht 2023 der IG Kultur Österreich
Von Mirjam Steinbock, an die Generalversammlung am 26. April 2024 in Innsbruck
Wir sind mehr als …
Mit Ende des Vereinsjahres, das wir heute bei der p.m.k. in Innsbruck abschließen dürfen, zählte die IG Kultur Österreich über 1.000 Mitglieder. Das ist eine beeindruckende Zahl an gemeinnützigen Kulturinitiativen und Kulturakteur*innen. Seit 2018 hat sich die Mitgliederzahl mehr als verdreifacht und das ist eine erfreuliche Bestätigung dafür, Wesentliches zu tun. 2023 wurde der Prozess der Mitgliederharmonisierung abgeschlossen, d.h. mit Ausnahme von Niederösterreich bieten die IG Kultur Vorarlberg, die Tiroler Kulturinitiativen, der Dachverband Salzburger Kulturstätten, die Kulturplattform Oberösterreich, die IG Kultur Wien, die IG Kultur Burgenland, die IG Kultur Steiermark und die IG KiKK Kärnten Koroška gemeinsam mit der IG Kultur Österreich die Doppelmitgliedschaft an.
Wie das funktioniert
Dieses für uns Mitglieder hinsichtlich Service, Vertretung, Kommunikation, Weiterbildung und Kosten vereinfachende und zuträgliche Angebot verlangt von den umsetzenden Interessensvertretungen eine nachvollziehbare und transparente Struktur. Die Doppelung des Leistungsspektrums, das übrigens nicht nur Mitgliedern sondern auch Partnerorganisationen, Publikum, Verwaltung und Politik zugutekommt, basiert auf der so einfachen wie anspruchsvollen Formel des Teilens.
Die enge Zusammenarbeit zwischen dem IGKÖ-Team und den in fast allen Bundesländern aktiven Vorstandsmitgliedern, und der Austausch mit den Mitgliedern der Landesorganisationen über eine Mailinggruppe fördert das Wissen, was an welchem Ort gerade stattfindet, was herausfordernd ist, was glückt oder auch, was zu einem Problem werden könnte. Wir haben sechs Vorstandssitzungen im Jahr, zusätzlich eine meist zweitägige Klausur, themenspezifische Arbeitsgruppen und die Generalversammlung.
Die strategischen und operativen Schritte unseres Dachverbands sind ein fein justiertes und dicht verzahntes Mahlwerk, das sich kontinuierlich und überzeugt dem Ziel nähert, die Kleinteiligkeit unserer Arbeits- und Rahmenbedingungen sichtbar und besonders für deren Akteur*innen verdaulicher zu machen.
Unsere Anliegen lediglich auf den Kultursektor zu beziehen, würde den gemeinnützigen Aspekt vernachlässigen, der letztlich die Voraussetzung für eine Mitgliedschaft bei uns ist. Die Gemeinnützigkeit lenkt darüber hinaus die Stoßrichtung unserer Wirkungsbereiche. Dementsprechend setzen wir uns für faire Gehälter und Honorare, für Gendergerechtigkeit, Nachhaltigkeit und offene und leistbare Zugänge zu Kunst und Kultur ein und leisten damit unseren Beitrag zu den 17 Zielen (SDGs) für nachhaltige Entwicklung bis 2030.
Volumina vs Volumen
Die Lektüre des ebenfalls beiliegenden Tätigkeitsberichts lohnt sich. Alles noch einmal auf einen Blick zu sehen, was 2023 von der IG Kultur Österreich angestoßen, kommuniziert, offeriert und schließlich umgesetzt wurde, hat mich als Vorsitzende jedenfalls im positivsten wie auch im nachdenklichen Sinn erschüttert.
Vorweg zur Verortung: Das operative Team der IG Kultur Österreich besteht 2023 aus fünf Persönlichkeiten. Yvonne Gimpel führt mit ihrer weitsichtigen, diplomatischen, moderationskompetenten und höchst strukturierten Art die Geschäfte, Julia Krul mit ihrer Rechtsexpertise fungierte als Yvonnes Assistentin, Herta Schuster mit ihrer langjährigen und allseits geschätzten Kenntnis der nationalen und internationalen Kulturszene unterstützte in der Beratung, Petra Eckmayr verantwortet mit ihrer zuvorkommenden, rasch reagierenden und alle Akteur:innen wertschätzenden Art die Administration und Mitgliederbetreuung, und Patrick Kwasi agiert mit mutigen Augen gen politischer Realität und der Fähigkeit, künstlerische Aspekte mit kultur- und gesellschaftspolitischen Details zu verweben, als Medienverantwortlicher.
Ihr seid ein professionelles Team mit immer offenem Ohr unser aller Anliegen gegenüber. Den Vorstand entlastend organisiert, motiviert und agiert Ihr und Euch gebührt großer Dank und auch Respekt, dieses Arbeitsvolumen mit derart hoher Wirkung nach innen und außen bewerkstelligt zu haben.
Angesichts der 2,5 Vollzeitäquivalente und der Tragweite der Meilensteine gleicht die genannte Bewerkstelligung einem Wunder. Ein Meilenstein sind die Musterverträge, die als Open Source allen Interessierten zur Verfügung stehen und auch genutzt werden, wie ich aus Vorarlberg berichten darf. Ein anderer Meilenstein ist die Sozialpartnerempfehlung Freie Kulturarbeit, eine Kooperation zwischen Gewerkschaft GPA und IG Kultur Österreich, um gemeinsame Schritte hin zu besseren Arbeitsbedingungen in der freien Kulturarbeit zu setzen. Beides sind unglaublich weitreichende Projekte, die mit arbeitsrechtlich haltbaren Werkzeugen durch die Anwendung bei uns Mitgliedern erst in die Realität umgesetzt werden können. Dafür notwendig sind Wissen, Kommunikation, Austausch, Reflektion und der Mut, alte Pfade zu verlassen und neue, noch unbekannten Wege zu gehen. Zurückgreifen können wir dabei jederzeit auf das Netzwerk und den Support unseres Dachverbands.
Wer sind „wir“ und wie soll das alles funktionieren?
Angebote für Umsetzungen in die Kulturarbeitspraxis wurden auch bereits geschaffen, wie bspw. die Webinar-Reihe KULTUR RECHT PRAKTISCH, die juristisches Basiswissen für Kulturvereine vermittelt. Oder das EU-Projekt FULCRUM mit dem Lead der IG Kultur Österreich für das Thema „Audience Development und Community Building“, das Kulturarbeiter:innen eine internationale Trainingsakademie mit maßgeschneiderten Weiterbildungsangeboten offeriert. Lasst uns - und hier sind „das Wir“ die Mitglieder, die Landesorganisationen und die Interessensvertretungen – daran denken, dass die IG Kultur Österreich nur so gut ist und besser wird, wie wir gemeinsam mit ihr an den relevanten und zu transformierenden Themen arbeiten.
Der Vorstand ist auch ein „Wir“ und bis heute waren das inklusive der Ablösungen durch Kooptierungen alphabetisch genannt Benjamin Pascal Blaikner, Simon Hafner, Verena Humer, Lidija Krienzer-Radojevic, Serena Laker, Herta Schuster, Katharina Serles, Mirjam Steinbock, Elena Stoisser, David Prieth und Alina Zeichen. Wir haben in den letzten zwei Jahren eine hochprofessionelle und erfreuliche Zusammenarbeit geschafft, die von den individuellen fachlichen und sozialen Kompetenzen getragen wurde. Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich bei Euch bedanken, vor allem für den Vertrauensvorschuss für den Vorsitz.
Ganz gleich, ob hauptamtliche oder ehrenamtliche Arbeit, beteiligt an unser aller Engagement ist meist jene intrinsische Motivation, sich über die Kulturarbeit für gleiche Rechte und Pflichten und damit demokratisch und gesellschaftlich einzusetzen.
Für immer wieder neue Herausforderungen und ständige Gratwanderungen im Kampf für endlich adäquate Arbeitsbedingungen im Kulturbereich braucht es Neugier und Tatkraft. Diese Haltung ist nicht selbstverständlich, ich bin sogar der Meinung, dass sie, was Kostenwahrheit anbelangt, auch verfälschen kann. Das passiert, wenn wir die Abgrenzungen zwischen hauptamtlicher, ehrenamtlicher und unfreiwillig unbezahlter Arbeit nicht sehen oder trotz Sichtbarkeit nicht entsprechend handhaben. Wir müssen uns daher bewusst sein oder werden, wie und mit welchen Ressourcen wir unsere Arbeit tun und schließlich konsequent handeln. Das beinhaltet dann auch die Frage, ob das, was wir tun, in dem Ausmaß und in arbeitsrechtlich vertretbarem Rahmen (noch) möglich ist. Eine der schwierigsten Fragen, denen ich in meiner Vorstandstätigkeit und auch als Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg ständig begegne.
Empowern, was das Zeug hält!
Dieser in meiner Funktionsperiode letzte Obfrau-Bericht ist auch ein Plädoyer für eine Haltung und unseren Umgang miteinander:
Lasst uns, um arbeits- und handlungsfähig zu bleiben, verantwortlich mit uns, mit unseren Gegenübern und mit allen dafür erforderlichen Ressourcen umgehen. Und lasst uns öfter sagen, wofür wir einander schätzen.
Lasst uns auch die idealsten Bedingungen unabhängiger Kulturarbeit beschreiben und uns gegenseitig ermutigen, uns für entsprechend faire Bedingungen einzusetzen. Das wirkt sowohl persönlich als auch beruflich wie Öl im Getriebe, davon bin ich überzeugt. Dem neuen Vorstand, dem Team und uns allen wünsche ich privat wie beruflich Gesundheit, Verständnis und massig Mut und Durchhaltevermögen zugunsten eines freien, Kultur-zugänglichen und gerechten Lebens in Frieden.
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Details zum neuen Vorstand hier.
Foto: Skulptur von Lorenzo Quinn in Venedig | von Sabine Kroschel auf Pixabay