Wie gehts der Kultur im zweiten Lockdown? Stimmen aus dem Sektor.
Die Kultur ist schon ein wenig länger im zweiten Lockdown, Veranstaltungen waren schon verboten, als Möbelhäuser noch Wochenendaktionen mit 8.000 Menschen feierten. Wir haben uns bei der Kultur umgehört, wie die Lage vor dem zweiten Lockdown aussah, wie sie bislang durchhalten, ob die Unterstützungsleistungen ankommen, ob sie sich von der Politik gehört fühlen und was sie für das nächste Jahr erwarten. Wir hören Eveline Lehner von der Cselley Mühle im Burgenland, Frederik Lordick vom Dachsbau in Tirol, Susanna Bihari von der Theaterzeit Freistadt in Oberösterreich, Werner Wultsch von der Klagenfurter Sezession in Kärnten und Julia Eder vom Winterfest Salzburg.
Eveline Lehner, Cselley Mühle: Unsere Lage war erst hoffnungsvoll, da der Sommer recht gut lief. Die Menschen haben die Veranstaltungen trotz der strengen Maßnahmen genossen und tatsächlich weiß man kaum von Clusterbildungen aus dem Konzert- und Theaterbereich.
Jetzt mussten wir wie im Frühling wieder alle in Kurzarbeit schicken. Es ist schon schwer, dass man Mut, Kraft und Freude nicht verliert.
Wir sind auf die Einnahmen aus der Gastro sehr angewiesen. Wir haben zu einer Förderung für 80% Umsatzersatz angesucht, das wird und schon helfen, zu überleben. Wie es dann nächstes Jahr weitergeht ist nicht voraussehbar, weil uns die Planungssicherheit fehlt. Ich habe schon das Gefühl, dass Kultur und Jugendkultur für die Politik nicht so wichtig ist. Wir haben Veranstaltungen schon von Frühling auf Herbst verschoben, die wir nun wieder verschieben müssen. Es ist schwer, so zu planen. Wir versuchen natürlich Ersatztermine zu finden und wir hoffen auch, dass wir wieder so bald wie möglich öffnen können. Wir haben besonders auf die verordneten Maßnahmen geachtet, das war ja bei den Möbelhäusern zum Teil nicht der Fall.
Es wird eine harte Zeit werden. Abgesehen von der finanziellen Lage ist es vor allem für junge Menschen wichtig, die Kultur zu öffnen. Die Auswirkungen der psychosozialen Folgen sind nicht absehbar.
Frederik Lordick, Dachsbau Kulturverein: Unsere Lage hat sich kaum verändert, denn wir haben den Betrieb nach dem ersten Lockdown nicht wieder hochgefahren. Wir haben auf Livestreams umgestellt und machen Konzerte, DJ-Sessions aber auch Showformate.
Grundsätzlich geht es uns gut, wir haben mit den Livestreams eine neue Leidenschaft gefunden, stecken da viel Energie rein und bekommen viel zurück durch die gute Resonanz der Leute. So können wir unsere Kulturarbeit betreiben und kriegen Spenden rein. Das deckt nicht alle kosten, aber reicht, dass wir das noch ein wenig so machen können. Was Hilfeleistungen betrifft bekommen wir vom Land eine kleine Förderung für Digitalisierung und sind jetzt gerade dabei den NPO-Fond zu beantragen, wobei wir hier ein paar Probleme haben, weil wir seit März Spenden sammeln und das jetzt wohl gegengerechnet wird. Da fühlen wir uns so, als hätten wir unsere Spender*innen betrogen, weil sie im Endeffekt nur den Staat ein wenig entlasten. Ich hoffe, dass wir da zu einer Lösung kommen, die fairer ist. Was die Politik ernster zu nehmen scheint, sind die Anliegen der Wirtschaft, das sieht man daran, wie schnell alles für die Wirtschaft eingerichtet wird und wie lange es gedauert hat, einen NPO-Fond zu kreieren.
Wir blicken dennoch positiv in die Zukunft. Wir haben viel Spaß am Livestreaming und können so Kulturarbeit weiter betreiben. Wir werden stärker daraus hervorgehen - doch bis dahin durchzuhalten ist die Kunst.
Susanna Bihari, Theaterzeit Freistadt: Unser Tiefpunkt war, dass wir unser Festival absagen bzw. verschieben mussten. Wir planen hauptsächlich größere Projekte und internationale Kooperationen, die haben alle größere Vorlaufzeit, deswegen war die Zeit dazwischen nicht besser als der konkrete 2. Lockdown. In Anbetracht der erschwerten Planbarkeit wäre für uns eine Realisierung für Herbst/Winter gar nicht in Frage gekommen. Corona nimmt den Kulturbereich nicht nur Monate, sondern ganze Jahresvorhaben!
Als kulturschaffende Person ist man ja einiges an Herausforderungen gewohnt, doch jetzt ist die Situation besonders angespannt. An den Projekten hängen Infrastruktur und Mitarbeitende, die kämpfen alle. Schwierig ist auch, dass man nicht weiß, wie es im nächsten halben Jahr laufen wird, wieviel Sponsor*innen man verliert, wie die Subventionsstellen das handhaben, wieviel vom Schaden aufgefangen wird. Manche Hilfsleistungen kommen an, manche nicht. Kurzarbeit funktioniert sehr gut, beim NPO-Fond fallen wir durch das Netz, da hoffen wir auf Anpassungen. Grundsätzlich haben wir aber schon das Gefühl, dass die Förderstellen bemüht sind, uns Rückhalt zu geben. Es bräuchte allerdings raschere schriftliche Zusagen. Durch den Aufschrei der Kulturszene gleich zu Beginn der Krise ist die Problematik einem breiteren Publikum bekannt und so auch der Politik bewusst geworden. Am Stellenwert muss man noch arbeiten, sonst wird die Kultur wieder das erste sein, wo man in der folgenden Wirtschaftskrise kürzt.
Die folgenden Jahre sind schwer einzuschätzen, ob sich Sponsor*innen in der Wirtschaftskrise zurückziehen oder Förderungen gekürzt werden. Ein positiver Effekt durch Corona ist, dass darüber gesprochen wird, wieviel Wertschöpfung in der Kultur steckt, dass Kultur und Kreativwirtschaft da viele andere Sektoren übertrifft. Wir müssen aus dem Bittstellermodus rauskommen, denn Kunst ist nicht gnadenhalber von Förderungen abhängig, es ist eine Investition. Auch in eine funktionierende Gesellschaft.
Werner Wultsch, Klagenfurter Sezession: Im Sommer war es gut, es waren Emotionen da und eine Aufbruchsstimmung. Wir hatten wieder 80% erreicht.
Der NPO-Fond hat uns vorerst schon einmal sehr geholfen. Wie lange wir noch durchhalten, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt schwer sagen, aber schon noch ein wenig. Der NPO-Fond hat für uns besonders gut funktioniert, wir haben da eingereicht und in den nächsten Tagen war das Geld schon auf unserem Konto. Da war ich schon sehr überrascht. Wir haben eigentlich schon das Gefühl, dass die Politik sich für unsere Anliegen interessiert, sonst würde es wohl die ganzen Fonds nicht geben. Da haben sie wohl durchaus verstanden, dass Kultur ein wesentlicher Bestandteil unseres alltäglichen Lebens ist.
Es wird noch eine schwierige Zeit auf uns zu kommen. Wir können de facto nicht arbeiten. Kein Mensch weiß, wie lange uns Corona noch betreffen wird.
Julia Eder, Winterfest Salzburg: Wir waren bis zum zweiten Lockdown voll in der Planung für unser Festival und auch sehr zuversichtlich, was die Durchführung betrifft. Die Ausarbeitung von Hygiene und Präventionskonzepten hat zusätzlich sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Besonders aufreibend war die Planungsunsicherheit und die sich laufend ändernden Rahmenbedingungen. Dass wir dann absagen mussten, war sehr traurig.
Die Krise hat uns kräftemäßig an unsere Grenzen gebracht, organisatorisch, personell und auch finanziell. Wir sind aber in der glücklichen Lage, dass unsere treuen Partner*innen und Sponsor*innen trotz Absage unterstützen und wir haben auch Unterstützung vonseiten der öffentlichen Hand. Die Situation war für viele Kulturschaffende aber schon vor Corona prekär und jetzt sind noch mehr Sorgen dazugekommen. Die Folgen werden auch noch nachwirken. Dazu braucht es einen langfristigen und umfassenden Schutzschirm.
Für unser Winterfest 2021 haben wir schon viele Ideen, die Perspektive ist aber noch unklar. Wir schauen optimistisch in die Zukunft, hoffen aber auf eine höhere Planungssicherheit für das kommende Jahr.