Fair Pay Domino-Effekt: Salzburg, Graz - wo bleibt der Bund?

Nachdem es die Forderung nach Fair Pay nach über zehn Jahren Lobbying vonseiten der IG Kultur endlich in ein Regierungsprogramm geschafft hat, wurde vom Kulturstaatssekretariat nun ein „Fairness Prozess“ gestartet, um sich der Sache anzunehmen. Es fällt gleich ins Auge, dass bereits im Titel der konkrete Begriff „Fair Pay“ der viel abstrakteren „Fairness“ weichen musste. Versucht man das Anliegen zu verschleppen oder sogar loszuwerden? Gleichzeitig hat Salzburg vorgelegt und nach nur fünf Monaten die Umsetzung präsentiert und aus Graz gibt es bereits Signale, dass man nachziehen möchte. Könnte ein Domino-Effekt entstehen? Und wo bleibt der Bund in dieser Sache? Ein Interview mit Gabriele Gerbasits, IG Kultur, und Thomas Randisek, Dachverband Salzburger Kulturstätten, wie die Umsetzung in Salzburg zustande gekommen ist, welche Auswirkungen davon zu erwarten sind, wie der Prozess im Bund einzuschätzen ist und was man sich davon noch erwarten kann.

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Patrick Kwasi: Fair Pay in Salzburg wird umgesetzt - herrscht bei euch Jubelstimmung?

Thomas Randisek: Ja! Es ist wahrlich so, dass in der Kulturabteilung gerade an der konkreten Umsetzung und Auszahlung gearbeitet wird. Das ist ein ganz großer Schritt nach vorne! Ich hoffe auch, dass der Bund sich nun an dieser Förderaktion Fair Pay beteiligt! Wir müssen dann mit der Stadt Salzburg noch den Dritten ins Boot holen, das wird noch eine spannende Aufgabe, denn mittelfristig braucht es dazu alle drei Gebietskörperschaften, die Kultur fördern: Stadt – Land – Bund. 

Gabriele Gerbasits: Die Lösung in Salzburg ist hervorragend! Das ist genau die Lösung, die wir uns vorgestellt haben, nämlich dass gemeinsam mit Expert*innen und Interessenvertretung überlegt wird, wie man den Fair Pay Gap schließen kann und welchen mittelfristigen Plan es dazu braucht und welche Lücken womöglich entstehen, die man in einem weiteren Schritt schließen muss. Alles was sich hier an Fragen stellt ist umgesetzt worden!


Kwasi: Wie ist es dazu gekommen, dass das jetzt tatsächlich umgesetzt werden konnte? 

Randisek: Dazu muss ich etwas ausholen. Wir haben als Dachverband Salzburger Kulturstätten mal aus Eigeninteresse erhoben, wie hoch eigentlich der Fair Pay Gap in Salzburg ist, einfach weil wir wissen wollten, wie viel Geld fehlt, wenn man Menschen im Kulturbereich fair bezahlen möchte. Das hat drei Monate gedauert. Wir sind dabei auf eine Fehlsumme von 2,35 Millionen Euro gekommen, um alle Angestellten bei unseren Mitgliedsvereinen nach Fair Pay zu bezahlen. Das war die Ausgangslage. 

Daraufhin haben wir erfahren, dass ein Betrag im heurigen Budget des Landes Salzburg für Fair Pay rückgestellt wurde. Eine Arbeitsgruppe hat dann von Februar bis Mai 2021 ein Modell für das Bundesland Salzburg ausgearbeitet, auch wie es administrativ umsetzbar wäre und welche Voraussetzungen es braucht, um quasi alle Details abzuklären. Das haben wir auch sehr rasch hingekriegt. Parallel dazu hat die Kulturabteilung des Landes Salzburg den Fair Pay Gap der Institutionen noch einmal erheben lassen, und zwar im Zuge der Verlängerung der mittelfristigen Fördervereinbarungen und ist auf eine ähnliche Summe gekommen, nämlich 2,5 Millionen Euro. Das ist der Fair Pay Gap für unser Bundesland. 


Kwasi: Die Politik hat tastsächlich auf euch gehört?

Randisek: Das war erstaunlich! Ich habe das auch als sehr mutigen Schritt des Landesrats Heinrich Schellhorn von den Grünen empfunden, der die Summe von 450.000 Euro, dezidiert für Fair Pay im Budget rückgestellt hat. Das war der Startschuss und für uns auch der Aufhänger, da noch aktiver zu werden, als wir ohnehin schon waren. 


Kwasi: Was wird da jetzt konkret kommen und wie wird das in Salzburg implementiert?

Randisek: Das läuft zur Zeit bei mittelfristigen Förderverträgen, da berechnet das Land Salzburg gerade den Fair Pay Gap für einzelne Institutionen und den Anteil, den das Land zu bezahlen hat, weil unser Modell davon ausgegangen ist, dass sich alle drei Gebietskörperschaften beteiligen. Das Land Salzburg hat im Schnitt einen Anteil von 40% bei unseren Mitgliedern an den Geldern, die für Fair Pay aufgebracht werden müssen. Das wird nun in einen Vertrag gegossen, auch um zu verhindern, dass diese Fair Pay Gelder für andere Dinge verwendet werden können, wie Investitionen oder Erhöhung von PR-Ausgaben.  Es soll definitiv den Menschen, die in den Kulturbetrieben arbeiten, zugutekommen. 


Kwasi: Was wird das für Effekte auf die Salzburger Kulturszene haben?

Randisek: Das erste Ziel ist, dass alle Kulturarbeiter*innen zumindest mal 70% Fair Pay bezahlt werden und das wollen wir noch heuer umsetzen! In weiterer Folge soll das in einem Fünf-Jahres-Plan von 70 auf 80 auf 90% steigen, also jedes Jahr kommen 10% hinzu und jene, die unter diesen Summen verdienen werden mal entsprechend gefördert. 


Kwasi: Das heißt, da wurde auch die Angst abgefangen, die es auch in der Kulturszene gab, dass wenn Fair Pay kommt, dann dafür weniger Organisationen gefördert werden…

Randisek: Nein, das ist in Salzburg dezidiert nicht der Fall! Es sind 40 Institutionen, die mittelfristige Fördervereinbarungen haben und darüber hinaus arbeitet die Kulturabteilung auch daran, dass dieses Modell auch für jene Vereine, die diese nicht haben und dennoch Personal angestellt haben, greift. 

 

 

Der Beitrag als Podcast:

 

Kwasi: Die Kampagne für Fair Pay gibts ja seit zehn Jahren - Wieso hat das so lange gedauert, bis da Bewegung reingekommen ist?

Randisek: Darüber kann man jetzt spekulieren… Einerseits lag es wohl daran, dass es nun dezidiert im Regierungsprogramm stand und dann jemand den Mut gehabt hat, auch tatsächlich Gelder für Fair Pay im Budget rückzustellen. Das waren wohl die zwei Knackpunkte in diesem Zusammenhang. 


Kwasi: Nach zehn Jahren ist Fair Pay endlich im Regierungsprogramm der Bundesregierung gelandet und dann hat man tatsächlicher einen Prozess gestartet, sich zumindest damit zu beschäftigen. Konkret rausgekommen ist dabei noch nichts. Was macht die Regierung seit der Angelobung genau mit dem Thema Fair Pay? 


Gerbasits: Die Umsetzung der Fair Pay Strategie, die im Regierungsprogramm der Bundesregierung verankert ist, hat sehr verspätet angefangen, das ist aber natürlich Corona geschuldet, weil man erst die Maßnahmen für den Kultursektor entwickeln musste. Dann hat man einen vom Ministerium entwickelten sogenannten „Fairness Prozess“ gestartet, in dem Fair Pay eine untergeordnete Rolle spielt und noch keine Untergruppen oder Arbeitssitzungen zu genau dem Thema stattgefunden haben. Allerdings wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die den Fair Pay Gap erheben soll. Da wurde allerdings nicht im Vorfeld festgelegt, was mit den Ergebnissen passieren soll, wie diese Verteilung zwischen Bund und Ländern gedacht ist, ob das verhandelt wird oder klar ist, dass es nur die jeweiligen Gebietskörperschaften betrifft – es ist also noch viel Arbeit zu tun, die man schon beginnen hätte können, aber nicht begonnen hat. Das legt den Verdacht nahe, dass man es mit der Umsetzung nicht so genau nimmt. 

Randisek: Ob man es verschleppen möchte, ist die eine Frage, die andere ist aber, ob man es überhaupt verschleppen kann! Die IG Kultur hat da gute Arbeit geleistet, auch im Zusammenhang mit dem Symposium, um dezidiert auf Fair Pay hinzuweisen. Man weiß ja, dass es Geld kostet, das laut Staatssekretärin Mayer ja auch im Ausmaß von 2 Millionen Euro vorhanden sein soll. Wenn man das politisch will, kann man das nun auch Schritt für Schritt umsetzen. 

Gerbasits: Nach Einschätzung der IG Kultur Österreich sind wir uns nicht sicher, ob es tatsächlich einen Umsetzungswillen gibt, oder ob es nur heiße Luft ist und man reine Ankündigungspolitik betreibt. Bei der Kulturstrategie ist nun beispielsweise die Bündelung der Forderungen als Ziel definiert – eine Bündelung ist nun wirklich kein veritables kulturpolitisches Ziel. Auch bei Fair Pay sind wir uns nicht sicher, auf welches Ergebnis es hinauslaufen soll. 

Kwasi: Graz will ja jetzt nachziehen, könnte da jetzt ein Fair Pay Dominoeffekt entstehen?

Randisek: Das ist die große Hoffnung! Wir wussten, dass wir in Salzburg die ersten sind, die das umsetzen werden und wir haben darauf acht gegeben, dass das Modell, das wir entwickelt haben, auch kopierbar ist und für die Verwaltung leicht administrierbar ist. Das waren zwei Vorgaben. Wenn Graz nun einsteigen sollte, wäre es die dritte Gebietskörperschaft, die Fair Pay implementieren möchte und es wäre ein nächster großer Schritt! 

Gerbasits: Dort wo interessierte Politiker*innen an den Schlüsselstellen sitzen und die Möglichkeit haben, etwas umzusetzen, kommt auf einmal Bewegung rein. Womöglich gibt es da auch einen Generationen Gap oder ähnliches, dass es plötzlich entscheidungsfreudigere Politiker*innen gibt. Wir erwarten uns von Graz nun ähnliches und vielleicht kommt dann die nächste Landeshauptstadt oder ein Bundesland hinzu!


Kwasi: Man sieht ja, dass es schnell gehen könnte - Thomas, am Fairness Symposium hast du ja auch angemerkt, dass eine Umsetzung bei gegebenem politischen Willen rasch möglich wäre. Woran scheitert das beim Bund?

Randisek: Das ist das zentrale Thema. Man kann dieses Salzburger Modell kopieren, der Bund kann das auch, denke ich. Wir brauchen nicht auch noch die sechste Studie über die soziale Lage von Kulturarbeiter*innen und Künstler*innen, es ist eindeutig und in Salzburg liegen die Zahlen schon vor. Das kann auch jedes andere Bundesland oder jede andere Stadt leisten: Einfach mal den Fair Pay Gap ausrechnen, was im Zuge von Förderansuchen kein Kunststück ist und in Salzburg binnen acht Wochen erledigt war. 

Gerbasits: In der Kulturpolitik beobachten wir schon sehr lange, dass es Lösungen gibt, die von den Interessenvertretungen ausgearbeitet wurden, die nicht immer nur budgetrelevant sind, aber die nicht umgesetzt werden. Es stellt sich die Frage, warum Politik nicht für Menschen gemacht wird. Es scheitert am politischen Willen. Salzburg hat gezeigt, dass man die Interessenvertretungen und die Zivilgesellschaft nur fragen muss und dann in einem Prozess von nur fünf Monaten eine komplexe Strukturänderung vorangetrieben werden kann. Wenn man sich die Wortmeldungen beim Symposium vom Land Tirol oder Vorarlberg anhört, die nach wie vor um den heißen Brei reden und sich fragen, wie das überhaupt gehen könnte oder was Fair Pay überhaupt heißt, kann es ja nur eine Willensfrage sein. Der Landeshauptmannstellvertreter Schellhorn hat es jetzt als Erster umgesetzt – die anderen müssten es auch einfach nur machen! 

 

Gabriele Gerbasits, IG Kultur, WUK

 

  Gabriele Gerbasits war fast 25 Jahre Geschäftsführerin der IG Kultur. Sie ist für die Fair Pay Kampagne zuständig. 

 

 

 

 

Thomas Randisek, Dachverband Salzburger Kulturstätten

 

 

 

  Thomas Randisek ist Gechäftsführer des Dachverbandes Salzburger Kulturstätten. 

 

 

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