„Kunst und Kultur können zum Klimaschutz etwas beitragen, was kein anderer gesellschaftlicher Bereich leisten kann“ – Richard Schachinger (Klimabündnis OÖ)
Richard „Richi“ Schachinger steht mit einem Bein in der Kultur und dem anderen im Klimaschutz. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, warum Klimaschutz den Kunst- und Kultursektor so spät erst erreicht hat, was Festival dazu beigetragen haben, was Initiativen machen können und was der Sektor leisten kann, was kein anderer Bereich vermag.
Ich habe das Gefühl, dass die Themen Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit noch nicht so ganz in der Kultur angekommen sind. Haben wir das verschlafen?
Da ist wahrscheinlich was dran, allerdings wäre ich da nicht so streng. Es braucht immer Einzelpersonen und Initiativen, die sich einem Thema besonders verschreiben, es forcieren, bis es allgemein in das Bewusstsein rückt und Bündnispartner und Bündnispartnerinnen findet. Ähnlich ist das mit dem Klimaschutz, wobei da schon auffällig ist, dass es gleich zu Beginn in den 80ern Berührungspunkte mit der Umweltbewegung gegeben hat und dann lange Zeit nicht wirklich mehr ein Thema von Priorität war.
Erst Mitte der 2000er, Anfang der 2010er Jahre hat es dann den ersten größeren Schub gegeben. Da haben sicher Green Events eine Rolle gespielt, mit „Diagonale denkt weiter“ in Graz oder der Sommerfestivallandschaft in Oberösterreich, die von Kulturinitiativen getragen wurde und wird, beginnend mit dem „Bock Ma’s“ Festival, Ottensheim Open Air, Free Tree, Seewiesen und so weiter. Das sind alles Festivals, die sich diesem Nachhaltigkeitsgedanken verschrieben und viel bewegt haben. Warum das gerade Sommerfestivals waren, liegt wahrscheinlich daran, dass der Campingplatz im Grünen liegt. Sprich: Wenn die Müllberge wachsen ist das ein Augenöffner. Da ist eine Motivation, im Sinne aller Beteiligten Maßnahmen zu setzen und sich zu überlegen, wie sich der Abfall bei Festivals reduzieren und vermeiden lässt.
Ich habe dennoch das Gefühl, dass in den Visionen und Mission Statements, wo die freie Kultur eigentlich immer das ganze Mantra einer besseren Welt aus Antirassismus, Antisexismus, Antifaschismus, etc. drin hat, das Thema Klimaschutz selten zu finden ist. Oder siehst du das doch schon tiefer eingesickert?
Die Beobachtung teile ich. Auf statutarischer Ebene ist mir der Klimaschutz oder die Klimapolitik in der Form bei Kulturinitiativen kaum bis gar nicht untergekommen. Bei Leitbildern nehme ich aber wahr, dass es zunimmt, vor allem bei Veranstaltungsreihen.
Was es schon auch gibt, ist eine Form versteckter Klimaschutz, wenn sich Initiativen zum Beispiel dem Thema Leerstand widmen und in diesem Bereich aktiv sind. Das ist ja auch ein Klimaschutzthema, weil jede Fläche, die nicht versiegelt wird, relevant ist, zumal Österreich in dem Bereich trauriger Europameister ist. Dazu gehört auch der Bereich der Straßenfeste von „Reclaim the Streets“ bis Radfahren oder auch fleischfreie Ernährung, wo nicht immer explizit von Klimaschutz gesprochen wird, obwohl das alles einen wichtigen Beitrag leistet.
Liegt es vielleicht auch daran, dass die Förderstrukturen für den Kulturbereich noch nicht an diese Anforderungen angepasst sind? Hat die Politik da verpasst zu reagieren? Gibt es Förderschienen, die sich im Kontext von Umwelt bewegen und sich auch dezidiert an den Kulturbereich richten?
Das ist durchaus paradox! In der Kulturförderung spielt das Thema Umwelt faktisch keine Rolle. Auf der anderen Seite gibt es aber Umweltförderungen, die auf Bewusstseinsbildung abzielen. Das kann für Kulturinitiativen wiederum interessant sein. Oberösterreich hat die Green Event Förderung. Gleichzeitig gibt es regelmäßig vom Umweltministerium Förderungen im Bereich klimafreundlicher Mobilität, Stichwort: Radfahren. Insgesamt bleibt das aber auch überschaubar und richtet sich allgemein an Vereine und nicht speziell an den Kulturbereich. Da gibt‘s insgesamt noch viel Luft nach oben.
Was können Kulturinitiativen in dem Bereich eigentlich machen?
Kunst und Kultur können zum Klimaschutz etwas beitragen, was kein anderer gesellschaftlicher Bereich leisten kann: Sie können neue Perspektiven eröffnen! Die Fakten zur Klimakatastrophe sind ja nicht neu, die sind seit Jahrzehnten unverändert. Sie werden nur detaillierter und wissenschaftlich immer besser abgesichert. Man muss sich jetzt fragen, warum die technischen Kennzahlen in Kombination mit Endzeitstimmung bis heute keine ökologische Trendwende bewerkstelligt haben.
Eine zentrale These dafür ist die, dass die Angelegenheit zu trocken dargestellt ist und es andere Zugänge zum Thema braucht. Das können gerne auch unterhaltsamere Aufbereitungen sein, die einen emotionalen oder politischen Blickwinkel aufmachen. Ich glaube, man kann Klimaschutz auch feiern! Und hier kann Kunst und Kultur wirklich eine essenzielle Rolle spielen. Es sollte uns gelingen, andere, genussvollere Zugänge zu finden, die über das CO2 Zählen hinausgehen. Technikentwicklung wird wichtig sein, aber technische Lösungen alleine werden das nicht leisten. Da kann jede Kulturinitiative eine wesentliche Rolle spielen. Das beginnt mit dem Thematisieren, ob bei Open Air Kinos oder Vorträgen, bis hin zur künstlerischer Auseinandersetzung. Und es gibt ja auch noch die Möglichkeit, Veranstaltungen als Green Event auszurichten.
Was sind Green Events?
Das sind undogmatische Ansätze Veranstaltungen ressourcenschonender zu gestalten. Das geschieht entlang wesentlicher klimarelevanter Bereiche, wie beispielsweise Mobilität, Anreisefragen, Essensangebote bis hin zu Abfallmanagement und sozialen sowie kommunikativen Komponenten. Das Green Event Paket zielt eigentlich darauf ab, von der Planung bis zur Durchführung möglichst klimafreundlich zu sein.
In dieser Sache gibt es in Österreich einerseits das Umweltzeichen und andererseits Länderprogramme, die abgestimmt sind und nicht nur an der Infrastruktur, sondern stark an Initiativen und dem freiwilligen, ehrenamtlichen Arbeiten orientiert sind. Das heißt, dass man davon ausgeht, dass Kulturinitiativen nicht immer darüber bestimmen können, über welchen Strom oder welche technische Ausstattung ein Gebäude verfügt. Es sind also Richtlinien, die für jeden Verein machbar sind, da es sich um kleine, sinnige Qualitätsmaßnahmen handelt, die gut mit dem Klimaschutz Hand in Hand gehen. Das ist zum Beispiel die Vermeidung von Einwegabfällen, wo schon der Mehrwegbecher Abhilfe schafft. Der kostet in der Anschaffung mehr, holt die Kosten aber wieder rein und vermeidet diesen „Bechersalat“, der nach der Veranstaltung meistens am Boden klebt und auch noch entfernt werden muss. Das kennen wahrscheinlich die meisten Initiativen nur zu gut! Dem kann man mit einfachen Mitteln entgehen. Es ist nur ein Beispiel von vielen, wo ich mir denke, dass viel Vorbildwirkung möglich ist. Denn was Kulturveranstalter*innen da für ihre Besucher und Besucherinnen leisten können, das kann der oder die einzelne auch Zuhause schaffen!
Was gibt’s da noch für Möglichkeiten?
Wer Hauptmieter oder –mieterin einer Kulturstätte ist, kann gut geförderte Energie- und Klimaschutzchecks in Anspruch zu nehmen. Die sind auf das Gebäude bezogen. Da lassen sich sämtliche Bereiche von einer externen Person prüfen und Maßnahmen davon ableiten, ob nun der Wechsel auf Ökostrom oder ein Ausbau der sanften Mobilität.
Abseits davon kann man sich immer noch in der Regionalentwicklung positionieren. Zum Beispiel mit der Gründung von Gemeinschaftsgärten, Repair Cafés und dergleichen. Das könnten auch Lebensmittelinitiativen sein, wo man als Kulturstätte beispielsweise die lokale Bioproduktion unterstützen kann. Da lassen sich – im Sinne eines breiten Kulturbegriffs - viele Kooperationen und Synergien bilden.
Mit den „Fridays for Future“ ist das Thema in die große Öffentlichkeit gerückt. Da kommt eigentlich niemand mehr daran vorbei. Die Kultur ist ja oft vorne dabei, wenn es um die Mobilisierung von politischen Protest geht — hier auch?
Im Fall von „Fridays for Future“ eher nicht, was allerdings auch daran liegt, dass es in erster Linie von Schüler und Schülerinnen und Jugendlichen getragen wird. Sukzessive wird es nun um die „Parents-“ und „Scientists for Future“ erweitert. Wer weiß, wie lange es noch dauert, bis es auch „Artists for Future“ gibt.
Wird die Aufmerksamkeit wieder abflauen oder ist das gekommen, um zu bleiben? Wird die Kultur sich in Zukunft auf breiter Basis dem Thema widmen müssen?
Das Interesse am Klimaschutz ist so groß wie noch nie! Das ist sehr erfreulich und gleichzeitig auch höchste Zeit. Wenn man sich die Geschichte ansieht, weiß man aber auch, dass auch hier „Ups and Downs“ zu erwarten sind. Allerdings bin ich mir sicher, dass uns das Thema erhalten bleibt. Vor allem, wenn es uns nicht gelingt, eine Trendwende einzuleiten. Denn auch, wenn es wieder kühlere Jahre geben wird, ist es gewiss, dass insgesamt extreme Wetterereignisse zunehmen werden. Das hat auch auf den Kulturbetrieb Auswirkungen, wenn Veranstaltungen bei 38 Grad einfach nicht mehr durchführbar sind. Das ist schon ein Novum. Der Blick aus dem Fenster wird uns daran erinnern, dass es höchste Zeit ist, zu handeln! Und da initiative Kulturarbeit stets nah an gesellschaftspolitischen Entwicklungen dran ist, wird das auch bei der Klimathematik der Fall sein.
Richard Schachinger ist gelernter Soziologe aus Vöcklabruck und arbeitet für das Klimabündnis OÖ als Projektleiter und Green Event Koordinator. Zuvor war er von 2012-2016 Geschäftsführer der KUPF-Kulturplattform OÖ und ist seit 2003 ehrenamtlich als Kulturarbeiter und Regionalentwickler in verschiedensten Zusammenhängen engagiert, aktuell für das OKH Vöcklabruck.
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Foto: Krists Luhaers