Was Kultur bewegen kann
Wie lässt sich das Kulturangebot in ländlich geprägten Regionen und kleineren Städten weiterentwickeln? Und wie können sich Kulturinstitutionen vor Ort für neue Aufgaben, Inhalte und Kooperationen öffnen? Das Programm „TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel“ unterstützt in Deutschland Regionen dabei, ihre Kulturorte und ihr Kulturangebot dauerhaft zu stärken. Ein Bericht zu Erfahrungen aus acht Jahren TRAFO-Förderung in Deutschland.
In den vergangenen acht Jahren haben zehn Regionen deutschlandweit im Rahmen des Programms TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel der Kulturstiftung des Bundes Erfahrungen gesammelt, wie kulturelle Vorhaben in ländlichen Regionen wirksam werden und Veränderungsprozesse in einer Region anstoßen können. Als TRAFO-Programmbüro begleiten und unterstützen wir die Modellregionen bei diesen Veränderungsprozessen und fördern den Austausch und das Wissen über neue Ansätze in der Regionalen Kulturarbeit[1] in ganz Deutschland. Für das seit 2015 bis 2024 laufende Modellprogramm stellt die Kulturstiftung des Bundes Mittel in Höhe von 26,6 Millionen Euro bereit. Die beteiligten Regionen erhalten darüber hinaus eine Kofinanzierung von Landesministerien, Landkreisen und Gemeinden.
Beteiligungsorientierte Vorhaben mit künstlerischen Mitteln haben sich in den TRAFO-Projekten besonders bewährt. Sie ... stellen nicht eine Produktion, sondern die Menschen in den Mittelpunkt.
Alle geförderten Regionen kümmern sich vor allem um Vernetzung und Mitgestaltung, obwohl wir im Rahmen des Programms keine inhaltlichen Vorgaben gemacht haben, was vor Ort konkret umgesetzt werden soll. Entstanden sind im Laufe dieser Zeit Ideen und Ansätze für eine regionale Kulturarbeit, die auf den Zusammenschluss unterschiedlicher Akteur*innen sowie auf kokreative Formate setzt. In Erzählcafés, kokreativen Werkstätten oder künstlerischen Dorfresidenzen arbeiten die einzelnen Regionen an ihren jeweils spezifischen Themen und suchen Antworten für lokale Herausforderungen. Es geht dabei um Fragen, wie man beispielsweise Engagement für das Gemeinwohl fördern, Jugendbeteiligung erhöhen, neue Begegnungsorte schaffen oder wie eine Stadt mit über zwanzig Ortsgemeinden eine gemeinsame Identität entwickeln kann.
Beteiligungsorientierte Vorhaben mit künstlerischen Mitteln haben sich in den TRAFO-Projekten besonders bewährt. Sie laden die Bewohner*innen einer Region dazu ein, mitzugestalten, und sie stellen nicht eine Produktion, sondern die Menschen in den Mittelpunkt. So setzt das Kulturlandbüro in Vorpommern mit Dorfresidenzen künstlerische Impulse. Alle Dörfer im Landkreis können sich bewerben. Wird ein Ort ausgewählt, bestimmt eine Einwohner*innen-Jury aus einem Pool ein*e Künstler*in, die dann mehrere Monate im Dorf lebt und arbeitet. Ein Beispiel: Vier Gemeinden auf dem Randowplateau haben sich für eine Zusammenarbeit mit den Tänzerinnen Be van Vark, Anja Schäplitz und Bärbel Jahn entschieden. Bei „Das Fest – Uczta. Tanz auf dem Plateau“ im Juni 2023 konnten die Einwohner*innen die Grenzen zwischen den Orten tänzerisch überwinden und so wieder näher zusammenrücken.
Auch in Rendsburg-Eckernförde können sich die Dörfer des Landkreises bewerben. Sie nehmen dann über ein Jahr hinweg an kokreativen Formaten teil. Das Besondere: Die Einwohner*innen sind eingeladen, sich selbst für ein Vorhaben einzusetzen und es umzusetzen. Dieser Prozess wird jeweils von einer Kultureinrichtung im Landkreis begleitet.
Im Falle von Sehestedt ist es das Nordkolleg in Rendsburg. Zu Beginn verteilte die Künstlerin Heide Klencke 150 kg Ton, fünfzig Bürger*innen formten daraus Skulpturen, die sie mit ihrem Dorf verbinden. Das Resultat war so überzeugend, dass die Sehestedter*innen eine Mauer für die Tonskulpturen an zentraler Stelle errichteten. Seit Juli 2021 ist die Freiluftgalerie ein neuer Ort im Dorf, wo „man sich trifft“.
Durch die Vernetzung verschiedener Akteur*innen und Vorhaben und durch eine auf mehrere Jahre angelegte Unterstützung können die Allianzen, die in den Regionen entstehen, eine größere Sichtbarkeit erlangen und wirksam werden. Hierfür braucht es allerdings einen verlässlichen Rahmen und stabile Strukturen. Dafür ist neben dem Aufbau tragfähiger Netzwerke und der Beteiligung der Akteur*innen auf Augenhöhe auch ein neues Selbstverständnis der Kultureinrichtungen und Verwaltungen zentral. Um diese Veränderungen anzustoßen, um Neues auszuprobieren, Arbeitsweisen zu verändern, Formate zu verstetigen und Netzwerke nachhaltig zu stärken, braucht es Zeit und Raum für Erprobung. Deshalb fördern und begleiten wir die Veränderungsprozesse in den TRAFO-Regionen über einen Zeitraum von fünf Jahren und stellen bereits für die Konzepterarbeitung Fördermittel in einer einjährigen Entwicklungsphase bereit.
In TRAFO sehen wir: Kultur sucht Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen und unterstützt die Entwicklung einer Region.
www.trafo-programm.de
www.ideenkongress.de
Samo Darian leitet seit 2015 das Programm „TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel“, eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes, und seit 2023 das bundesweite ressortübergreifende Förderprogramm „Aller.Land – zusammen gestalten. Strukturen stärken“.
1 „Regionale Kulturarbeit“ soll als feststehende Wendung für Kulturarbeit in ländlichen Räumen verstanden werden, siehe TRAFO (2022): Handreichung Regionale Kulturarbeit. Teil 1: Loslegen, online abrufbar unter: www.trafo-programm.de/3358_verffentlichungen
Dieser Artikel ist erstmals in der Ausgabe 1.23 „LAND KULTUR ARBEIT“ des Magazins der IG Kultur Österreich – Zentralorgan für Kulturpolitik und Propaganda erschienen.
Das Magazin kann unter @email (5 €) bestellt werden.
Coverbild: Sehestedt Tonmauer TRAFO-Rendsburg © Caspar Sessler