Alles Terroristen ... FP-Hinterbänkler auf der Jagd nach gewaltbereiten Kulturwissenschaftern
Andere bringen es nur (mehr) zu Diskussionen in diversen Unterausschüssen und Beiräten, so z.B. die im September zum wiederholten Male von der Publizistikförderung ausgeschlossenen Periodika akin, ArbeiterInnenstandpunkt und Context XXI. An diesen Publikationen und ihren politischen und wissenschaftlichen Umfeldern ideologische Kritik zu üben, steht den verantwortlichen Beiratsmitgliedern nicht zu, ihre Ablehnung gar nicht zu begründen, nach gerichtlichem Urteil auch nicht mehr.
Andere bringen es nur (mehr) zu Diskussionen in diversen Unterausschüssen und Beiräten, so z.B. die im September zum wiederholten Male von der Publizistikförderung ausgeschlossenen Periodika akin, ArbeiterInnenstandpunkt und Context XXI. An diesen Publikationen und ihren politischen und wissenschaftlichen Umfeldern ideologische Kritik zu üben, steht den verantwortlichen Beiratsmitgliedern nicht zu, ihre Ablehnung gar nicht zu begründen, nach gerichtlichem Urteil auch nicht mehr. Also wird den AntragstellerInnen kurzerhand ihr Beitrag zur "staatsbürgerlichen Bildung" in Abrede gestellt. Bei angemessen avanciertem Theoriehintergrund wäre den ExpertInnen klar, dass "staatsbürgerliche Bildung" paradoxerweise gerade dort beginnt, wo der staatliche Rahmen thematisiert und in Frage gestellt wird. Das aber kapiert der Beirat nicht und installiert einen Stehsatz für sein allzu durchsichtiges Manko, über kein schlüssiges Ausschlusskriterium für linke Publikationen zu verfügen.
Die Herausgeberin der Kulturrisse hat bis dato nicht um Publizistikförderung angesucht, daher noch kein diesbezügliches Attest über staatsbürgerliche Bildung bezogen. Worüber wir uns jedoch seit geraumer Zeit freuen dürfen, sind Lesungen an den bedeutendsten Orten österreichischer Politik. Dass die AkteurInnen im Parlament und im Wiener Gemeinderat bisher nur aus den hinteren Bänken zum Kulturkampf gegen unser marginales Blatt aufgerufen haben, enttäuscht uns zwar, wird aber durch den unfreiwillig humoristischen Ansatz der FP-ProtagonistInnen voll und ganz wiedergutgemacht. So wurde den Nationalratsabgeordneten im letzten Jahr aus einem Kulturrisse-Text Oliver Marcharts vorgelesen, und in diesem - freilich freiheitlich frei phantasierten - Zusammenhang der nachmalige Adornopreisträger Derrida zum Terroristen geadelt.
Ähnlich kreativen Überlegungen muss der FP-Kollege im Wiener Gemeinderat ein Jahr später gefolgt sein, der die Untersuchungen des Tübinger Kulturwissenschafters Klaus Schönberger gewaltsam als Beispiele für "Aufrufe zu Gewalt und Gesetzesbruch", ja "zur Zerstörung der Gesellschaft" uminterpretierte. Das von Schönberger herausgegebene und in den Kulturrisen vorgestellte Buch Va Banque. Bankraub, Theorie. Praxis. Geschichte spannt einen facettenreichen Bogen von der politischen Ökonomie des Bankraubs bis hin zu Reflexionen zwischen High und Low Tech, zwischen regionalen Traditionen und populärer Kultur. Als derart amüsant-kurzweiliges Stück Cultural Studies ist es soeben in zweiter Auflage erschienen. Sicher und dezidiert jedoch färbt es Gewalt nicht schön oder versucht dazu anzuleiten, geschweigedenn sie zu verherrlichen oder dazu aufzurufen. Genau das ist aber die Phantasie des FP-Gemeinderats, der dankenswerterweise und unter emotionaler Teilhabe seiner KollegInnen im Wiener Rathaus zu einer extensiven Kulturrisse-Lesung ansetzte.
Aber nicht nur die - eher emotional begründete als strategisch geplante und hegemonietheoretisch unterfütterte - Verschiebung des Gewaltbegriffs betreibt die FP mit schier unendlichem Elan, auch die hehre Kunst der Kulturbegriffslehre, der Exegese, was Kultur ist und was sicher nicht. Unter letztere Kategorie falle auch die IG Kultur als Herausgeberin der inkriminierten Zeitschrift: "Das einzige, was sie mit Kultur zu tun hat, ist der Name." Jenseits des Kulturrisse-Langzitats scheint der Hauptverdacht bezüglich Kulturlosigkeit wohl in der Tatsache zu liegen, daß sich Kulturinitiativen unter der schwarzblauen Regierung zunehmend politischer Themen annehmen; so etwa der Einforderung von mehr Rechten für MigrantInnen, für den FP-Redner im Gemeinderat ein ausreichender Beweis dafür, dass die IG Kultur "nicht im Zusammenhang [steht] mit Kultur, höchstens mit allgemeinem Multikulti..."
Fällt der Blick auf den Antrag, gegen den der FP-Politiker sturmlief, wird's vollends skurril: Es geht laut Gemeinderatsprotokoll nämlich nicht um Bankraub oder Gewaltbereitschaft, um die terroristischen Anschläge auf New York und Washington oder die Wiener Donnerstagsdemos, es geht auch nicht um die Kulturrisse oder die IG Kultur Österreich. Es geht um das ohnehin nicht gerade unbescheiden ausgefallene Finanzierungsansuchen der IG Kultur Wien. Nun gehört es nicht unbedingt zur kulturellen oder staatsbürgerlichen Bildung, den Unterschied und die völlige Autonomie der Vereine IG Kultur Österreich und IG Kultur Wien zu kennen, aber vor solchen Extensivlesungen sollte man sich wenigstens der Anträge, Themen und Inhalte versichern, zu denen man ausschweifende Tiraden zu komponieren ansetzt. - Liebe FPÖ, wir warn's.
Nicht die IG Kultur Wien! Und der Antrag der IG Kultur Wien hat mit den Kulturrissen, der Zeitschrift der IG Kultur Österreich, überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil: die IG Kultur Wien lädt sogar nach wie vor höflicherweise auch FP-Mandatarinnen zu ihren Veranstaltungen ein (s. Atome, S.15) - auch wenn die sich und ihre österreichische Kultur allenorts vom gewaltbereiten Multikulturalismus verfolgt fühlen.
Nun, wer derartige Schwierigkeiten hat, Kultur und Politik nicht völlig durcheinander zu bringen, Gewalt und wissenschaftlichen Diskurs, von dem darf man vermutlich auch nicht verlangen, Wien von Österreich zu unterscheiden. Aber vielleicht sollte Andreas Khol auch hier mal sein Nachhilfeprojekt in Sachen Heimatkunde in Anschlag bringen. Apropos: Alle Achtung vor der Wiener ÖVP, die sich im Abstimmungsverhalten wieder einmal von der Bundes-ÖVP unterschied, sich von den Verwirrungen der FPÖ nicht weiter beeinflussen ließ und gemeinsam mit SP und Grünen für die Förderung der IG Kultur Wien stimmte.
Gerald Raunig ist koordinierender Redakteur der Kulturrisse und Vorstandsmitglied der IG Kultur Österreich.
Die Herausgeberin der Kulturrisse hat bis dato nicht um Publizistikförderung angesucht, daher noch kein diesbezügliches Attest über staatsbürgerliche Bildung bezogen. Worüber wir uns jedoch seit geraumer Zeit freuen dürfen, sind Lesungen an den bedeutendsten Orten österreichischer Politik. Dass die AkteurInnen im Parlament und im Wiener Gemeinderat bisher nur aus den hinteren Bänken zum Kulturkampf gegen unser marginales Blatt aufgerufen haben, enttäuscht uns zwar, wird aber durch den unfreiwillig humoristischen Ansatz der FP-ProtagonistInnen voll und ganz wiedergutgemacht. So wurde den Nationalratsabgeordneten im letzten Jahr aus einem Kulturrisse-Text Oliver Marcharts vorgelesen, und in diesem - freilich freiheitlich frei phantasierten - Zusammenhang der nachmalige Adornopreisträger Derrida zum Terroristen geadelt.
Ähnlich kreativen Überlegungen muss der FP-Kollege im Wiener Gemeinderat ein Jahr später gefolgt sein, der die Untersuchungen des Tübinger Kulturwissenschafters Klaus Schönberger gewaltsam als Beispiele für "Aufrufe zu Gewalt und Gesetzesbruch", ja "zur Zerstörung der Gesellschaft" uminterpretierte. Das von Schönberger herausgegebene und in den Kulturrisen vorgestellte Buch Va Banque. Bankraub, Theorie. Praxis. Geschichte spannt einen facettenreichen Bogen von der politischen Ökonomie des Bankraubs bis hin zu Reflexionen zwischen High und Low Tech, zwischen regionalen Traditionen und populärer Kultur. Als derart amüsant-kurzweiliges Stück Cultural Studies ist es soeben in zweiter Auflage erschienen. Sicher und dezidiert jedoch färbt es Gewalt nicht schön oder versucht dazu anzuleiten, geschweigedenn sie zu verherrlichen oder dazu aufzurufen. Genau das ist aber die Phantasie des FP-Gemeinderats, der dankenswerterweise und unter emotionaler Teilhabe seiner KollegInnen im Wiener Rathaus zu einer extensiven Kulturrisse-Lesung ansetzte.
Aber nicht nur die - eher emotional begründete als strategisch geplante und hegemonietheoretisch unterfütterte - Verschiebung des Gewaltbegriffs betreibt die FP mit schier unendlichem Elan, auch die hehre Kunst der Kulturbegriffslehre, der Exegese, was Kultur ist und was sicher nicht. Unter letztere Kategorie falle auch die IG Kultur als Herausgeberin der inkriminierten Zeitschrift: "Das einzige, was sie mit Kultur zu tun hat, ist der Name." Jenseits des Kulturrisse-Langzitats scheint der Hauptverdacht bezüglich Kulturlosigkeit wohl in der Tatsache zu liegen, daß sich Kulturinitiativen unter der schwarzblauen Regierung zunehmend politischer Themen annehmen; so etwa der Einforderung von mehr Rechten für MigrantInnen, für den FP-Redner im Gemeinderat ein ausreichender Beweis dafür, dass die IG Kultur "nicht im Zusammenhang [steht] mit Kultur, höchstens mit allgemeinem Multikulti..."
Fällt der Blick auf den Antrag, gegen den der FP-Politiker sturmlief, wird's vollends skurril: Es geht laut Gemeinderatsprotokoll nämlich nicht um Bankraub oder Gewaltbereitschaft, um die terroristischen Anschläge auf New York und Washington oder die Wiener Donnerstagsdemos, es geht auch nicht um die Kulturrisse oder die IG Kultur Österreich. Es geht um das ohnehin nicht gerade unbescheiden ausgefallene Finanzierungsansuchen der IG Kultur Wien. Nun gehört es nicht unbedingt zur kulturellen oder staatsbürgerlichen Bildung, den Unterschied und die völlige Autonomie der Vereine IG Kultur Österreich und IG Kultur Wien zu kennen, aber vor solchen Extensivlesungen sollte man sich wenigstens der Anträge, Themen und Inhalte versichern, zu denen man ausschweifende Tiraden zu komponieren ansetzt. - Liebe FPÖ, wir warn's.
Nicht die IG Kultur Wien! Und der Antrag der IG Kultur Wien hat mit den Kulturrissen, der Zeitschrift der IG Kultur Österreich, überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil: die IG Kultur Wien lädt sogar nach wie vor höflicherweise auch FP-Mandatarinnen zu ihren Veranstaltungen ein (s. Atome, S.15) - auch wenn die sich und ihre österreichische Kultur allenorts vom gewaltbereiten Multikulturalismus verfolgt fühlen.
Nun, wer derartige Schwierigkeiten hat, Kultur und Politik nicht völlig durcheinander zu bringen, Gewalt und wissenschaftlichen Diskurs, von dem darf man vermutlich auch nicht verlangen, Wien von Österreich zu unterscheiden. Aber vielleicht sollte Andreas Khol auch hier mal sein Nachhilfeprojekt in Sachen Heimatkunde in Anschlag bringen. Apropos: Alle Achtung vor der Wiener ÖVP, die sich im Abstimmungsverhalten wieder einmal von der Bundes-ÖVP unterschied, sich von den Verwirrungen der FPÖ nicht weiter beeinflussen ließ und gemeinsam mit SP und Grünen für die Förderung der IG Kultur Wien stimmte.
Gerald Raunig ist koordinierender Redakteur der Kulturrisse und Vorstandsmitglied der IG Kultur Österreich.