Alternative Realitätswahrnehmung statt Politik

(Offener Brief an Kulturminister Blümel vom 12. September 2018) Das Regierungsprogramm der Kunst- und Kulturschaffenden wartet noch immer als Hausaufgabe.

Sehr geehrter Herr Bundesminister Blümel!

„Es ist mir darüber hinaus ein wesentliches Anliegen, den permanenten Austausch auf allen Ebenen mit Kunst- und Kulturschaffenden sicherzustellen.“ Das schreiben Sie, Herr Minister, in Ihrer Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Opposition. Dabei nehmen Sie sich doch nicht einmal Zeit für einen Kennenlerntermin mit den Interessenvertretungen der freien Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden. Das ist alternative Realitätswahrnehmung statt Politik für Kunst-, Kultur- und Medienschaffende!

Denkmalschutz „neu denken“, um HausbesitzerInnen zu entlasten, Leistungsschutzrecht für Presseverlage statt Urheber_innenvertragsrecht, Campaigning für Umfärbung und Enteignung des ORF statt für umfassenden Kultur- und Bildungsauftrag, patriotische Floskeln statt Arbeit für die Verbesserung der Situation heimischer Künstler_innen. Gedenkjahr? Marketing.

Mittels Antwort auf die erwähnte parlamentarische Anfrage haben Sie gerade wortreich verkündet, dass auch bei der Umsetzung des Regierungsprogramms in Ihrem Ressortbereich nichts weitergeht. Leere Worte, Verweise auf langjährige Programme, Abfeiern von Minimal-Umsetzungen zu aktuellen Themen – und dazwischen?

  • Andeutungen zu Plänen, die offenbar hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden sollen – und in diesem Fall hoffentlich ebenso wenig vorankommen wie die Abarbeitung der eigenen Vorgaben.
  • Abwälzen von schwarzblauen Wunschvorstellungen in die Verantwortung von Kunst- und Kultureinrichtungen.
  • Keine Überlegungen zum evidenten Problem der seit Jahren real geringer werdenden Budgets, von Erhöhungen ganz zu schweigen.
  • Kunstvolles Schweigen zu Angriffen auf Journalist_innen, Künstler_innen, Kulturschaffende, die es wagen, klare Worte zu Ihrem Koalitionspartner zu formulieren, oder sich aus jeweils spezifischen Gründen als Ziel einer Mobilisierung von Hass und Gewalt wiederfinden.

Es ist an der Zeit die Arbeit aufzunehmen: für eine Verbesserung der sozialen Lage der Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden, für eine umfassende Erhöhung der Budgets im Feld, für eine klare Grenze zum Rechtsextremismus.

Hätten Sie sich die Arbeit gemacht, die Sie vorgeblich so wichtig finden, und wären in einen permanenten Austausch mit Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden getreten, wüssten Sie, wo der Schuh drückt, wo es aktiv zu werden gilt. Gesammelt sind unsere Forderungen z.B. hier:

Das Regierungsprogramm der Kunst- und Kulturschaffenden: Unser Programm für Parlament und Regierung

Mit freundlichen Grüßen,

Kulturrat Österreich

 

Die IG Kultur Österreich ist Mitglied im Kulturrat Österreich

Ähnliche Artikel

Am vergangenen Donnerstag lud der Kulturrat Österreich anlässlich der bevorstehenden Nationalratswahl zu einem Podiumsgespräch über die zu erwartende Kunst- und Kulturpolitik ins Wiener Depot. Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), Eva Blimlinger (Grüne), Josef Schellhorn (Neos), Nikolaus Kohlberger (KPÖ) und Sabine Aigner (Keine) (gereiht nach den Wahlergebnissen 2019*) stellten ihre kulturpolitischen Perspektiven vor und präsentierten ihre Antworten auf offene Baustellen in Kunst, Kultur und Freien Medien. Was ist von welcher Partei zu erwarten - Ein Rückblick auf die Diskussion „Kulturpolitik zur Wahl“.
Anlässlich der Nationalratswahl hat die ARGE Kulturelle Vielfalt den wahlwerbenden Parteien einen kulturpolitischen Werkzeugkoffer überreicht. Er enthält praktische Tools und Anleitungen für effektive Kulturpolitik in der kommenden Legislaturperiode.
Im Vorfeld der Nationalratswahl 2024 haben wir die Parteien nach ihre kulturpolitischen Positionen befragt. Den Abschluss macht die Frage nach den kulturpolitischen Prioritäten der Parteien für die nächsten 5 Jahre. Das haben die Parteien geantwortet. Teil 3/3 der Serie "Kulturpolitik zur Wahl".