don´t think of change! First you may/ first of may.

Ist politisch sein sexy? Flexibel zu sein, cool, eigenverantwortlich, erfolgreich und dynamisch, sich ständig auf neue Herausforderungen einzulassen, ja, das gilt als attraktiv und falls solche Identitätsanforderungen mal stressen – keine Bange, alles reparabel! –, hält man uns Umschulungen, Sport und Meditation parat.

Ist politisch sein sexy? Flexibel zu sein, cool, eigenverantwortlich, erfolgreich und dynamisch, sich ständig auf neue Herausforderungen einzulassen, ja, das gilt als attraktiv und falls solche Identitätsanforderungen mal stressen – keine Bange, alles reparabel! –, hält man uns Umschulungen, Sport und Meditation parat. So bekamen die TeilnehmerInnen bei einem wohlgemerkt vom Arbeitgeber bezahlten Selbstmanagmentseminar, ein Stück Realität – bekanntlich einfallsreicher als jede Imagination – zu spüren. Worauf es ankommt, so der Tenor, ist wie mensch Situationen bewertet; wer die Welt verändern will, soll bei sich anfangen und bloß falsche Einstellungen rechtzeitig ablegen. Damit es schön anschaulich bleibt, wurde an dem Beispiel des falschen, irrationalen Glaubenssatzes „Die Welt soll gerecht sein“ gearbeitet.

Ein kleiner Schritt für die Welt, aber ein großer für Sie, nicht wahr?

Der Begriff Gerechtigkeit hat es zwar in anderen Zeiten zu besserer Karriere geschafft und es sogar an die ersten Plätzen der Rankinglisten diverser ethischer Systeme gebracht, doch bekanntlich ist ja alles im Fluss, und der Sprung vom Grundwert zum irrationalen Glaubensatz kann schnell passieren.

Denn wozu auch Gerechtigkeit, wenn es völlig ausreicht, etwas wirklich zu wollen. Das kann jede/r und am besten für sich. Mit „wollen“ klappt wieder alles – von der ständigen Herausbildung diverser Ich-AGs je nach momentanem Wirtschaftsbedarf bis zu sozialer Mobilität oder der Selbstfinanzierung der eigenen Prekarität. Alles machbar! Gesellschaftliche Umwandlung, Zusammenschlüsse oder soziale Bewegungen – davon lass ma lieber die Finger. Es ist also doch nicht alles machbar.

Aber welcher Hauch gibt uns da die Stimme, um zu bestimmen, was unmöglich und was möglich zu sein hat?

Seit dreißig Jahren konstruiert der Neoliberalismus Individuum und Wert erneut als rein ökonomische Kategorien, predigt das Primat des Nutzens und dethematisiert strukturelle Zusammenhänge. Im blendenden Licht der positiven Konnotationen wird dabei soziale Verantwortung mit Selbstverantwortung vertauscht, der Verlust eines Kündigungsschutzes für Entbürokratisierung ausgegeben und die Produktivität als die einzig mögliche gesellschaftliche Verbindlichkeit dargestellt. Als das funktionierende Konzept der neuen Weltordnung inszeniert, allgegenwärtig und bis ins eigene Denken präsent – aber wie finden wir ihn? Einfallslos und unsexy? Bleibt also nichts anderes übrig als – und da gebe ich unseren neoliberalen TrainerInnen schon Recht – eine Einstellungsänderung.

Politisierung ist attraktiv. Was den Neoliberalismus anbelangt, müssen wir ihm doch mangelnde Selbstregulation und Entbehrlichkeit attestieren. Die erfahrenen ExpertInnen Lateinamerikas machen es uns schon vor: ausprobiert, davon gelernt, abgelehnt! Denn was im Namen der Effizienz suspendiert wird – Brüche, demokratische Einflussmöglichkeiten, Träume, öffentliche Räume, gescheiterte Versuche –, macht uns aus, geht uns ab.

Die Ausdehnung des Privaten, die uns der Neoliberalismus beschert hat, denken wir dann wieder unter der Prämisse „das Private ist politisch“. In dem Sinne – danke für die Erweiterung.

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