Hip Drop: Only Rights Can Undo the Wrongs
Derzeit durchzieht die europäischen Städte ein kalter Wind bürgerlicher Stadtverschönerungsvereine, die es nicht leiden können, von Armut betroffene Mitbürger_innen zu sehen. Diese Verschönerungsinitiativen wollen in Ruhe und Anmut leben und nicht daran erinnert werden, dass etwa EU-Bürger_innen zu ihnen reisen, migrieren gar, um ihnen eine Hand oder einen aufreizenden Körperteil entgegen zu recken.
1989 wurde in Österreich männliche Prostitution entkriminalisiert und der §210 des Strafgesetzbuches – „gewerbsmäßige (männliche) gleichgeschlechtliche Unzucht“ – aufgehoben. Das ist mehrfach erstaunlich, gab es doch zu dieser Zeit immer noch Paragrafen, die das Werben für Homosexualität (§220) und das Gründen von Vereinen zur Förderung von Homosexualität (§221) bestraften sowie ein unterschiedliches Schutzalter für einvernehmlichen Sex unter Schwulen vorsahen (§209). Die Paragrafen 220 und 221 „hielten“ bis Ende 1996 und der Paragraf 209 gar bis 2002. Warum also wurde männliche, gleichgeschlechtliche Prostitution schon 1989 entkriminalisiert? Die Antwort ist die Erkenntnis, dass Kriminalisierung die HIV- und AIDS-Prävention massiv erschwert(e) bis unmöglich macht(e). Angesichts einer globalen Epidemie hatte der österreichische Staat erkannt, dass Verbote mehr Schaden anrichteten als die Durchsetzung moralischer Vorstellungen der Zeit.
Während in Österreich glücklicherweise die Stimmen, die allgemein Prostitution bzw. Sexarbeit verbieten wollen, leise sind, tobt in Deutschland und Frankreich gerade ein Sturm, der von einer generellen Abschaffung bis zur Kriminalisierung von Freiern reicht. Als Ziel wird angegeben, den weltweiten Menschenhandel unterbinden zu wollen, Sexarbeit an sich wird als Frauenkauf definiert, der kriminalisiert werden muss. Wie in vielen Bereichen ist aber die Bewertung von Sexarbeit komplizierter als diverse Kampagnen diese darstellen. Das gilt auf verschiedene Weise sowohl für die Pro- als auch die Kontra-Seite. Wenn wir nun der oben angeführten Logik der Rechtsprechung folgen wollen, hätte die Kriminalisierung, egal ob von Sexarbeit allgemein oder nur auf Freier bezogen, fatale Auswirkungen auf Präventionsansätze. Dabei geht es nicht nur um Gesundheitsfragen, sondern auch um Fragen der Gewaltprävention, die sicherlich im Bereich der legalisierteren Sexarbeit zu bearbeiten sind. Zur Klarstellung: Ich rede hier nicht von Zwangsprostitution, die jedenfalls als strukturelle Vergewaltigung, Freiheitsentzug und Körperverletzung zu werten ist.
Aber reden wir doch mal über Armut: Derzeit durchzieht die europäischen Städte ein kalter Wind bürgerlicher Stadtverschönerungsvereine, die es nicht leiden können, von Armut betroffene Mitbürger_innen zu sehen. Diese Verschönerungsinitiativen wollen in Ruhe und Anmut leben und nicht daran erinnert werden, dass etwa EU-Bürger_innen zu ihnen reisen, migrieren gar, um ihnen eine Hand oder einen aufreizenden Körperteil entgegen zu recken. Deswegen müssen diese Körper und ihre Aktivität verboten werden, mittels Bettelverboten, Sexarbeitsverbot, Obdachlosenverboten etc. Und wenn das Verbieten nicht geht, dann sollen sie wenigstens raus aus der Stadt, in Zonen, die eh keiner mag. Armut ist es nämlich, die die Frage der Freiwilligkeit in der Sexarbeit so kompliziert macht. Viele Frauen* entscheiden sich womöglich für diese Arbeit, weil sie das Geld brauchen.
Diese Frauen* sind nicht einfach nur Opfer, die befreit werden müssen, sondern sie haben in den ihnen zugänglichen Möglichkeiten einen Weg gewählt, sich und ihre Familien zu ernähren. Der Großteil von ihnen sind Migrant_innen, sie arbeiten mit ihrem Körper, die Ressource, die ihnen in diesem Gewerbe oft nur kurz zur Verfügung steht. Statt sie zu kriminalisieren, ist es immer notwendig, sie gesetzlich und strukturell vor Gewalt zu beschützen, arbeitsrechtlich (etwa durch Mindestlöhne, Mindestgagen) abzusichern und ihnen selbstbestimmtes Arbeiten zu ermöglichen. Niemand darf zu dieser Arbeit gezwungen werden, weder von Freiern, von Bordellbetreiber_innen oder Arbeitsvermittlungsagenturen. Statt sie an die Ränder und Ausfahrtsstraßen der Stadt zu verdrängen, soll sie sichtbar inmitten dieser bleiben, weil Sichtbarkeit erst recht mehr Schutz gewährt, als ein unbeleuchteter Autorastplatz. Sexarbeit verbieten zu wollen, ist letztlich eine rein moralische Frage, die über Migrant_innen (auch von feministischer Seite) gestülpt wird. Mit Solidarität und Emanzipation hat das nichts zu tun.
Bonusmaterial: www.storify.com/wrestling_moves