Mehr KUNSTdünger für die Landwirtschaft

Die Forderung nach einer synergetischen Betrachtung der sozialen, ökonomischen und kulturellen Dimensionen zählt mittlerweile zum Standardrepertoire in Diskussionen über nachhaltige Regionalentwicklung. Überraschende Unterstützung erhält die Forderung Kunst und Kultur als Faktor nachhaltiger Entwicklung systemisch mitzudenken nun von überraschender Seite – einer Dienststelle des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML).

Kunstdünger, Kunst am Land, Landkultur

Die Forderung nach einer synergetischen Betrachtung der sozialen, ökonomischen und kulturellen Dimensionen zählt mittlerweile zum Standardrepertoire in Diskussionen über nachhaltige Regionalentwicklung. Kultur wird dabei gerne als Schlüssel und zentrale Impulsgeberin genannt. Für eine multiperspektivische Herangehensweise ist die Zusammenarbeit über Ministeriums-, Abteilungs- und Bundesländergrenzen hinweg unabdingbar, um interministerielle Prozesse und sektorübergreifende Ansätze tatsächlich entwickeln und umsetzen zu können. Zuletzt wurde dies auch im Schlusskommuniqué der Klausurtagung der „ARGE Kulturelle Vielfalt 2023 zur UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ festgehalten.[1]

Der Kultursektor steht mit diesen Vorschlägen nicht alleine da und bekommt nun Unterstützung aus einem Bereich, den wohl viele nicht auf dem Schirm hatten. Die Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen (BAB) des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML) hat in einem dreijährigen Forschungsprojekt Kulturinitiativen im ländlichen Raum beforscht. Im Juni 2022 wurde der Bericht unter dem Titel „KUNSTdünger – Potentiale agrarischer Kunstinitiativen in ländlichen Regionen“ präsentiert.[2]
 

Das Forschungsprojekt erfasste Kulturinitiativen im landwirtschaftlichen Kontext und stellte anhand ausgewählter Beispiele dar, was Kunst und Kultur zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft und Regionalentwicklung beitragen kann. Das vierköpfiges Projektteam bestehend aus Karin Heinschink, Ingrid Machold und Georg Wiesinger unter der Leitung von Michael Groier beschäftigte aber auch mit der Frage, was diese Kulturinitiativen benötigen, um weiterhin qualitativ gut arbeiten zu können.

„Randthemen und Schnittstellen entlang verschiedener Wissensbereiche haben mich schon seit jeher interessiert. Das Besondere an dieser Forschungsarbeit war die Arbeit mit interessierten und kreativen Menschen, die sich im Rahmen ihrer künstlerischen und landwirtschaftlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Herausforderungen und neuen Perspektiven außerhalb ausgetretener Denk- und Aktionspfade auseinandersetzen und damit einen wichtigen Beitrag für eine zukunftsorientierte Regionalentwicklung leisten.” erklärt Michael Groier die Beweggründe des Projektes nach einer Mailanfrage.

 

Eine zukunftsorientierte, nachhaltige Politik für den ländlichen Raum muss ... die Potentiale der Kunst offensiver nutzen.


Das Fazit des Berichts: „Eine zukunftsorientierte, nachhaltige Politik für den ländlichen Raum muss [...] die vielfältigen endogenen Potentiale der Kunst offensiver nutzen und künstlerische Aktivitäten systematisch in entsprechend adaptierte Regionalentwicklungsprogramme und -projekte integrieren, um Bewusstseins- und Veränderungsprozesse anzustoßen, das soziale und kulturelle Kapital zu stärken und damit positive sozioökonomische und ökologische Entwicklungen in ländlichen Regionen zu fördern. Damit wird ein wesentlicher Beitrag dazu geleistet, ländliche Regionen vor allem für die zukünftigen Generationen attraktiver und lebenswerter zu gestalten.“[3]

Bemerkenswert sind aber auch die Empfehlungen, mit denen die über 100 Seiten starke Studie schließt. Viele davon dürften Kulturarbeiter*innen sehr bekannt vorkommen. In vier Bereichen – Forderungen an die Förderungspolitik im Bereich Kunst, Forderungen an Politik und Verwaltung, Forderungen im Bereich der Kommunikation sowie Integration von Kultur- und Kunstschwerpunkten in Regionalentwicklungsprogramme [LEADER) – werden an die zwanzig Verbesserungsvorschläge identifiziert. Dazu zählen Erhöhungen der Kulturbudgets, Forderung nach Basisförderungen, Bereitstellung von Infrastruktur, Zusammenarbeit in den Verwaltungsebenen genauso wie Einbindung der lokalen Bevölkerung, mehr Vernetzung, mehr Wertschätzung in den Regionen für die kulturelle Arbeit, mehr mediale Sichtbarkeit. Offensichtlich ist der Blickwinkel, von welchem aus regionale Entwicklung betrachtet wird, nicht wesentlich – die Rückschlüsse und Resultate gleichen sich.


Somit sind wir der Erkenntnis, dass Kunst und Kultur ein wesentlicher Faktor ist und Stärkung braucht, einen Schritt näher. Dass diese Unterstützung und „Bestätigung“ gerade aus einer Dienststelle des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML) kommt, ist nur auf den ersten Blick verwunderlich. Letztendlich ist die interministerielle Zusammenarbeit nicht nur ein Wunsch aus der Kulturszene, denn die großen Zukunftsthemen betreffen alle gesellschaftlichen Bereiche.

 

Alina Zeichen ist in Kärnten/Koroška geboren und aufgewachsen. Sie ist im Bereich Konzeption, Dramaturgie und Organisation von Kulturprojekten leitend tätig; Vorsitzende der Interessensgemein- schaften der Kulturinitiativen in Kärnten/Koroška (IG KiKK), im Vorstand der IG Kultur und lehrt an der Universität Klagenfurt/Celovec.


1 Schlusskommuniqué, ARGE Kulturelle Vielfalt 2023 zur UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (BGBl. III Nr. 34/2007), S. 13 f., online abrufbar unter: https://www.unesco.at/kultur/ vielfalt-kultureller-ausdrucksformen
2 Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen, Groier Michael, Heinschink Karin, Machold Ingrid und Wiesinger Georg (2022): KUNSTdünger. Potentiale agrari- scher Kunstinitiativen in ländlichen Regionen. BAB Report 003, Wien, online abrufbar unter: https://bab.gv.at/
3 Ebd. S. 103

 


Cover des IG Kultur Magazins, Ausgabe 2023



Dieser Artikel ist erstmals in der Ausgabe 1.23 „LAND KULTUR ARBEIT“ des Magazins der IG Kultur Österreich – Zentralorgan für Kulturpolitik und Propaganda erschienen.

Das Magazin kann unter @email (5 €) bestellt werden. 

 

Coverbild: 

Ähnliche Artikel

Ihr habt eine Projektidee, die sich gut für eine EU-Förderung eigenen würde – aber euch schrecken die Anforderungen ab? Ihr seid unsicher, welche EU-Förderschiene für eure Idee passend ist? Ihr habt noch keine Erfahrung mit EU-Einreichungen und bräuchtet Unterstützung in der Antragstellung? Dann bewerbt euch für das Incubator 2024 Programm – dem Mentoringprogramm für Kulturinitiativen zur Entwicklung erfolgreicher EU-Projekteinreichungen, inkl. Intensivtraining in Valetta/Malta.
KIKK OFF za kulturo #26: Am 8 März feiern wir den Weltfrauentag bzw. den feministischen Kampftag. Frauen* spielen sowohl auf als auch hinter der Bühne eine wichtige Rolle für die Kulturszene. Während die Mehrheit der Führungspositionen von Männern* besetzt ist, verrichten Frauen* den Großteil der unsichtbaren Care-Arbeit. 60% der bezahlten Arbeitsstellen in der freien Szene sind von Männern* belegt. Kulturarbeit ist für Frauen* häufig prekär. Vor allem Künstlerinnen* und Kulturarbeiterinnen* mit Kindern sehen sich mit schwierigen Arbeitsbedingungen konfrontiert. Dennoch ist Kulturarbeit meist eines: weiblich*.
Netzwerkarbeit und Bewusstseinsbildung unter Frauen im ländlichen Raum stößt immer wieder auf tief verankerte Einschränkungen, Vorurteile und Probleme. Frauennetzwerke wie etwa die murauerInnen (Murau) oder Iron Women (Steirische Eisenstraße) bieten Frauen aus unterschiedlichen sozialen Milieus die Möglichkeit, sich zu vernetzten und auszutauschen und somit die eigene Position in der Region zu stärken.