Neues aus der Kleingartensiedlung: Vom tieferen Sinn des Luxuriösen
Angesichts einer solchen Politik, und dessen, was diese Politik noch erwarten lässt, bleibt uns in unserer Kleingartensiedlung nur noch eine Möglichkeit, wie wir uns weiterhin in unsere Spiegel schauen können: Wir bauen unsere Gartenhütten zu komfortablen Unterschlupfen aus, für alle, die an unser Gartentor pochen, kochen Marmeladen ein, installieren Alarmanlagen, mauern gemütliche Kachelöfen und lassen unsere Hecken mannshoch wachsen.
Diese Kolumne, liebe Leserin, lieber Leser, hat, wie Sie sicherlich schon bemerkt haben, auch einen kulturellen Bildungsauftrag zu erfüllen. Mit der Absicht, einen Beitrag zu einem offenen kulturellen Klima in Österreich zu leisten, soll Ihnen auf dieser Seite, Ausgabe für Ausgabe, eine fremde Kultur näher gebracht werden, damit Sie zu einem tieferen Verständnis dieser Kultur ermächtigt werden. Wohl mehr ahnend denn wissend, dass Publikationen wie die Kulturrisse im selben Biotop entstehen, für das sie auch geschrieben sind, hat sich die Herausgeberin dazu entschlossen, auf dieser letzten Seite eine sehr fremde Kultur zu besprechen. Und was könnte einer/m sich links wähnenden, akademischen Intellektuellen, die/der leider noch (immer) keine Aussicht auf einen Lehrauftrag an einem einschlägigen Institut hat, fremder sein als die Kultur einer KleingärtnerInnensiedlung. Ist doch die Verachtung alles Kleinbürgerlichen quasi der zweite Vorname der eben beschriebenen Spezies. Und damit der Lerneffekt kein oberflächlicher bleibt, beschränken wir uns hier auch auf diese eine Kultur der KleingärtnerInnen. Repetitio est mater studiorum. Ich rechne es der Herausgeberin hoch an, dass sie zur Erfüllung dieser Aufgabe nicht auf biotopeigenes Personal zurück gegriffen, sondern mich – einen indigenen Vertreter der beschriebenen Kultur – damit betraut hat. Dafür möchte ich an dieser Stelle auch einmal mein herzliches „Dankeschön“ sagen.
Dieses Mal will ich auf ein Phänomen zu sprechen kommen, das Ihnen möglicherweise schon ins Auge gestochen ist, wenn sie an einer KleingärtnerInnensiedlung vorbei flaniert sind: Die immer komfortablere Ausstattung der Gartenhütten. Viele dieser Gebäude, einst errichtet um Gerätschaft und BesitzerIn schlichten Unterschlupf zu bieten, gemahnen oftmals schon an kleine Paläste. Die/der Unkundige mag darin eine Unstimmigkeit zwischen dem Postulat des einfachen, naturnahen KleingärtnerInnenlebens und der tatsächliche Umsetzung zu erkennen glauben. Die rasante Aufrüstung von Gartenhüttchen mit Warmwasserduschen, Satellitenantenne, Wärmedämmung, Telefon, Großbildfernseher usw. ist aber keinem Abfall von hehren Idealen geschuldet, sondern hat gesellschaftspolitische Gründe, wie auch die zunehmende Blickdichte der Gartenzäune.
Im Mai dieses Jahres haben die österreichischen Abgeordneten im EU-Parlament (mit Ausnahme der Grünen) in beachtlicher Einmütigkeit gegen die Weiterentwicklung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems gestimmt, oder sich der Stimme gleich enthalten. Zudem versucht derzeit Innenministerin Maria Fekter in Österreich ein Asylgesetz zu etablieren, das sogar rechtsstaatliche Prinzipien, wie etwa die Unschuldsvermutung, kippen würde und vor Bösartigkeiten nur so trieft. Die im Mai von den österreichischen Europaabgeordneten abgelehnten EU-weiten Mindeststandards im Asylrecht hätten diese Vorgangsweise der österreichischen Bundesregierung verunmöglicht.
Angesichts einer solchen Politik, und dessen, was diese Politik noch erwarten lässt, bleibt uns in unserer Kleingartensiedlung nur noch eine Möglichkeit, wie wir uns weiterhin in unsere Spiegel schauen können: Wir bauen unsere Gartenhütten zu komfortablen Unterschlupfen aus, für alle, die an unser Gartentor pochen, kochen Marmeladen ein, installieren Alarmanlagen, mauern gemütliche Kachelöfen und lassen unsere Hecken mannshoch wachsen. Denn irgendwo müssen Anständigkeit und Rechtsstaatlichkeit ja Unterschlupf finden. Und wenn sie zu uns kommen, sollen sie es gut haben.