Quod non est in actis, non est in mundo

(Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

Jetzt ist für Kleingärtner und Kleingärtnerinnen wieder die stille Zeit angebrochen. Man freut sich an den Dingen, die man gemacht hat und blickt auf (noch) volle Vorratsregale. Das eine oder andere wird sich im Laufe des Jahres wohl zum Geschenk wandeln. Es ist immer gut, selbst gemachte Marmelade und Säfte vorrätig zu haben – so ist man nie um ein Mitbringsel verlegen. Aber damit warte ich noch ein Weilchen. Da ich ja einen großen Kirschbaum habe, verteile ich zur Zeit lieber Kirschzweige, die ich zu Barbara (4. Dezember) geschnitten habe. Stellt man diese in lauwarmes Wasser, so stehen sie bald in schönster Blüte. Einen schöneren Schmuck kann man sich kaum wünschen. Jetzt, wo ich doch schon ein wenig in die Jahre gekommen bin, mache ich es aber auch, um ein wenig Wissen weiterzugeben. Es soll auch noch blühende Kirschzweige geben, wenn ich sie nicht mehr schneide.

Apropos Wissen: Wir leben ja angeblich seit einiger Zeit in der Wissensgesellschaft. Ist natürlich völliger Humbug, weil man die einfachsten Dinge nicht erfährt. Wissen Sie etwa, auf welche Konten die Euro-Hilfstranchen überwiesen wurden? Solche Dinge erfährt man nicht, bis sich investigative JournalistInnen die Hacken auflaufen und mit Sturheit jedem zweckdienlichen Hinweis hinterherhirschen. Unsere Regierung wusste ja (angeblich) vor der Wahl auch nicht, wie es um das Budget – das sie seit Jahr und Tag verwaltet – bestellt ist. Ich glaube eher, wir leben in einer Desinformations- als in einer Wissensgesellschaft. Da muss man sich aber auch nicht groß wundern: Warum sollten die Herrschenden plötzlich auf ihr Herrschaftswissen verzichten?

Wundern muss man sich schon eher darüber, dass Selbstverständlichkeiten scheinbar nicht für selbstverständlich gehalten werden. Etwa, dass Österreich seit einigen Jahrzehnten ein Einwanderungsland ist. Dabei könnte man das schon alleine daran erkennen, dass selbst die rechten PolitikerInnen der FPÖ um MigrantInnengruppen wie SerbInnen buhlen. Das alles hat keinen Neuigkeitswert. Da interessiert es mich schon eher, wer von der Wiederholung solcher Selbstverständlichkeiten lebt. Mir fällt da etwa Rabbi Hecht ein, der im Dokumentarfilm Defamation (von Yoav Shamir) sagt: „Ich bin immer sehr misstrauisch, wenn jemand seinen Lebensunterhalt durch bestimmte Situationen verdient. Wenn also eine Filmcrew davon lebt, Blut zu zeigen, dann bin ich jedes Mal, wenn sie Blut zeigen, misstrauisch. Wenn jemand aufgrund seiner Berichte über Antisemitismus bekannt ist, dann mach’ ich mir so meine Gedanken. Sind seine Berichte richtig? Es muss ein Problem erzeugen, denn er braucht seinen Job.“

Natürlich muss es auch eine Geschichtsschreibung der Migration geben. Jede Bevölkerungsgruppe hat ein Recht auf Repräsentation in der kollektiven Erinnerung. Aber es ist eben auch Business Ausstellungsbusiness, Publikationsbusiness, Vortragsbusiness, Erinnerungsbusiness. Das darf man, bei aller Notwendigkeit und Begeisterung auch nicht vergessen – jede Minderheit ist auch ein Geschäftsfeld. Und selten sind es die Minderheiten selbst, die das Geschäft machen.

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