Represent What? Represent Whom?

Unter dem Titel "Öffentliche Kulturförderung und politische Repräsentation - Diskussion am Beispiel des österreichischen Jubiläumsjahres 2005" lud am Freitag, dem 19. November 2004, das Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft (IKM) in Kooperation mit der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien (FOKUS) zu einer Podiumsdiskussion in die Räumlichkeiten der Universität für Musik und

Unter dem Titel "Öffentliche Kulturförderung und politische Repräsentation - Diskussion am Beispiel des österreichischen Jubiläumsjahres 2005" lud am Freitag, dem 19. November 2004, das Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft (IKM) in Kooperation mit der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien (FOKUS) zu einer Podiumsdiskussion in die Räumlichkeiten der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien.

Als ReferentInnen hatte man eine äußerst heterogene Gruppe von WissenschaftlerInnen und (kultur-)politischen AkteurInnen gewonnen, welche sich anhand des "österreichischen Jubiläumsjahres 2005" mit dem Verhältnis zwischen (staatlich geförderter) Kunst- und Kulturproduktion einerseits und der Repräsentation politischer Machtverhältnisse andererseits auseinandersetzen sollte. Dass die von der Ö1-Kulturredakteurin Dorothee Frank moderierte Debatte sich allerdings nicht auf die Behandlung dieser Frage beschränken würde, war angesichts der Kontroversialität des Themas und der Heterogenität der am Podium vertretenen Standpunkte bereits im Vorfeld zu erwarten gewesen. Vor allem ging es dann auch um die Erwägung der teils ethischen, teils politisch-strategischen Argumente für und wider eine Beteiligung an den (Gegen-)Aktivitäten zu besagtem "Jubiläumsjahr", das - wie auf der Homepage der Plattform Österreich 2005: Das Vorsorge-Paket gegen ein Jahr Heimat-Feiern zu lesen ist - "einen neuerlichen Schub an Geschichtsverzerrung und Chauvinismus, an Opfermythen und diversen rot-weiß-roten Identitätskonstruktionen" befürchten lässt.

Aufgeworfen wurde diese Frage dann auch explizit von Tina Leisch, Film-, Text- und Theaterarbeiterin aus Wien und Vertreterin der genannten Plattform, die zu bedenken gab, dass nicht zuletzt aufgrund der von Regierungsseite ausdrücklich gewünschten "Pluralität der Aktivitäten zum Jubiläumsjahr", die Gefahr einer Vereinnahmung auch kritisch-dissidenter Aktionen groß sei. Als Hauptaufgabe einer im kommenden Jahr verstärkt zu entwickelten "Widerstandskultur" nannte sie deshalb die Auseinandersetzung mit dem ideologischen Konstrukt "Nation" und seinen politischen Funktionen, die Sichtbarmachung all dessen, was von der hegemonialen Geschichtsschreibung verdrängt oder bewusst unterschlagen wird, sowie eine Unterstützung von Selbstrepräsentationsformen der Nichtrepräsentierten.

Die Entwicklung einer "gegenläufigen und dekonstruktivistischen" Strategie anlässlich des "Jubiläumsjahres 2005" plant auch die "Initiative Minderheiten", welche sich, vertreten durch die Vize-Obfrau Ursula Hemetek, ebenfalls an der Podiumsdiskussion beteiligte. Hemetek stellte dabei klar, dass für sog. "Minderheiten" in Österreich zwar zweifelsohne unzählige Anlässe existieren, die zu feiern sich ungleich mehr lohnen würde als das ominöse Jahr 2005. Gleichzeitig äußerte sie jedoch die Hoffnung, besagtes Jahr "im Sinne der Minderheiten produktiv umdeuten zu können". Angegangen werden soll dieses Vorhaben durch die Ausschreibung eines "Hymnen-Contests", d.h. durch den Aufruf, die ideologische Funktion von Hymnen als "Identitätslieder" durch die Abänderung und Neu-Komposition von Hymnen der verschiedenen "Minderheiten" herauszustellen und spielerisch zu unterlaufen.

Gedanken über eine mögliche Instrumentalisierung seines Beitrags zur Ausstellung "Das neue Österreich" in der Galerie Belvedere – einer im Rahmen der offiziellen Feierlichkeiten zum "Jubiläumsjahr" über die Bühne gehenden Sonderschau – machte sich auch der Innsbrucker Politikwissenschaftler Anton Pelinka. Dass der von ihm zu verantwortende Teil der Ausstellung, welcher sich mit den Jahren 1918 bis 1938 beschäftigen wird, von der österreichischen Bundesregierung – wie Wolfgang Zinggl im Zuge der Diskussion meinte – als "kritisches Feigenblatt" missbraucht werden könnte, sei selbstverständlich nicht grundsätzlich auszuschließen.

Andererseits, so gab Pelinka zu bedenken, bemühe er und sein Team sich um einen "kritisch-differenzierten Blick" auf diese Jahre, welcher insbesondere auf die "Brüche und Verwerfungen auf dem Weg hin zur Diktatur des autoritären Staates" fokussieren werde. Und wenn er sich dieser Aufgabe verweigert hätte, dann wäre eben ein anderer zum Zug und damit u.U. alles noch viel schlimmer gekommen. Außerdem, betonte Pelinka mit Verweis auf "die grandiose Propagandaplanung dieser Regierung" und mithin auf das peinliche Schlamassel bei den Vorbereitungsarbeiten zum "Jubiläumsjahr 2005", solle man die österreichische Bundesregierung nicht in ihrem Raffinement überschätzen. Diese agiere nämlich für eine wirklich effektive Instrumentalisierung des 2005er-Jahres schlicht nicht klug genug.

Für nicht klug genug befand der ebenfalls anwesenden Generaldirektor des Staatsarchivs Lorenz Mikoletzky hingegen die österreichische Bevölkerung und dabei insbesondere "die Jugend", was er mit solch schlagenden Argumenten wie dem "sinkenden Allgemeinwissen" zu belegen versuchte. Deshalb fürchtet er v.a. eine "Überforderung" durch die vom Großspektakel entfachte "Informationsflut", welche er mittels der ebenfalls im Rahmen der offiziellen Feierlichkeiten ausgetragenen und von ihm organisierten Ausstellung "60 Jahre Zweite Republik Österreich" im Staatsarchiv zu kompensieren plant. Dass die eingangs erwähnte Frage sich ihm als einzigen der am Podium vertretenen ReferentInnen nicht stellte, geht bereits aus dem Konzept für diese Sonderschau hervor, welche laut Mikoletzky den "von Staatsseite" geleisteten Beitrag zur "Erfolgsstory der Zweiten Republik" abbilden soll. Die Frage, warum die Mozartkugel nicht zu den ebenfalls hier präsentierten "Elementen der österreichischen Identität" gezählt wird, beantwortete er damit, dass diese nicht – offensichtlich im Gegensatz zu Lipizzanern und Sängerknaben – zwischen 1945 und 1995 erfunden wurde. Bleibt zu hoffen, dass die Mozartkugel dann wenigstens im "Mozartjahr 2006" für ihre "Verdienste um die österreichische Identität" die ihr zustehende Würdigung finden wird.

"Mitmachen oder Verweigern?", fragte sich hingegen auch der deutsche Politikwissenschaftler Klaus von Beyme und plädierte im Rahmen seines Statements insofern für ersteres, als es nichts bringe, "sich in den Schmollwinkel zu stellen". Außerdem seien seines Erachtens 2005 in Österreich erstens keine größeren Peinlichkeiten zu erwarten, zweitens Tendenzen für ein pluralistisches Event gegeben und drittens schließlich bei solchen Anlässen stets Sondersubventionen einzustreifen. Dass von Beyme seine Ausführungen mit der Feststellung einleitete, er "als Ausländer" sei in dieser Sache natürlich "neutral" und wolle sich selbstverständlich nicht "in unsere Sache" einmischen, stimmte allerdings misstrauisch.

Dieses Misstrauen wurde im weiteren Verlauf der Diskussion noch dadurch bestärkt, dass er sich als Verfechter eines "Verfassungspatriotismus" zu profilieren suchte. Damit einher ging die Forderung, dass auch sog. "Minderheiten" auf ein Minimum desselben zu verpflichten seien und außerdem ruhig ein wenig mehr Dankbarkeit für die erreichten Fortschritte an den Tag legen könnten. Ob das hier vorausgesetzte, national(-istisch) definierte "Wir" tatsächlich nur in instrumentalisierender Verbindung mit "politischem Opportunismus" gefährlich wird, wie Anton Pelinka in diesem Zusammenhang nahe legte, darf angesichts solcher Formulierungen durchaus bezweifelt werden.

Spannend wurde es im Rahmen der Diskussion dann noch einmal, als das eigentliche Thema des Abends, nämlich die Frage der öffentlichen Kulturförderung im Zusammenhang mit politischer Repräsentation, zur Sprache kam. Nach allfälligen Sondermitteln für seine Ausstellung befragt, antwortete Lorenz Mikoletzky nämlich in einem ersten Anlauf sinngemäß, diese würden sich nach der jeweiligen Höhe der Ausgaben berechnen. Auf nochmalige Nachfrage des grünen Nationalratsabgeordneten Wolfgang Zinggl, der im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage die Auskunft erhalten hatte, es würden – abgesehen von den bereits vergebene 2,5 Millionen Euro – keinerlei außerordentlichen Subventionsgelder zur Verfügung gestellt, verstrickte sich Mikoletzky jedoch tendenziell in einen Widerspruch. Zusätzliches Geld gäbe es für seine Ausstellung nämlich höchstens im Falle der Notwendigkeit des Ankaufs neuer Vitrinen und Rahmen und u.U. für einen Katalog. Von "flexibler Kostenabdeckung" über Sondersubventionen war jedoch nicht mehr die Rede.

Bleibt zu hoffen, dass das von Dorothee Frank abschließend in Aussicht gestellte "Diskursjahr 2005", in welchem eine kritische Öffentlichkeit die offiziellen Feierlichkeiten begleiten und eigene (Gegen-)Aktivitäten entwickeln wird, tatsächlich Realisierung findet und man den Regierenden dieses Feld mithin nicht kampflos für die Austragung ihres "Jubiläumsjahrs 2005" überlässt.

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