Sexismus in Kunst und Kultur.
Kürzlich erreichte die #metoo Bewegung den österreichischen Kunst- und Kulturbereich. Abermals meldeten sich unzählige Betroffene. Gerade ein Bereich, der sich für äußerst progressiv und aufgeschlossen hält, scheint hier starke blinde Flecken aufzuweisen. Wie steht es um Sexismus und Übergrifflichkeiten in der freien Kultur? Was kann man dagegen tun?
Auf Initiative von Regisseurin Katharina Mückstein meldeten sich hunderte Betroffene. Sie hatte auf Instagram bedauert, dass ein Täter gerade einen Award abräumen würde und erzählte daraufhin von ihren Erfahrungen mit den verheerenden Umständen zu Übergriffen in der österreichischen Kulturszene, vorwiegend an der Filmakademie und in der Filmwirtschaft. Sie selbst sagte dazu im Standard: „Es geht nicht um einzelne Täter, sondern um strukturelle Schwächen an Orten, die oftmals öffentlich finanziert sind und sich gerne nach außen progressiv und feministisch positionieren.“
Diese Probleme gibt es nicht nur in der Filmwirtschaft. Mückstein suggeriert sogar selbst, dass möglicherweise gerade in Bereichen, die sich gerne als fortschrittlich verstehen, womöglich gar nicht erst aufgeräumt wurde. Gerade die freie Szene, die das ganze Mantra aus Antirassismus, Antisexismus, etc. vor sich herträgt, vielleicht auch viel inhaltlich damit arbeitet, hat womöglich immense blinde Flecken. Wie steht es um Sexismus und Übergrifflichkeiten in der freien Kultur?
„Mit so einem Ausschnitt muss man sich aber nicht auf die Bühne stellen“ – „Du musst ihn mehr verführen“ – „Frauen übertreiben immer so“ – „du musst ihm das Gefühl geben, ihn zu bewundern“ – „Lach doch mal!“ – und viele andere ähnliche Sätze bekommen Frauen im Kunst- und Kulturbereich alltäglich zu hören. Die Zitate sind Teil einer Soundinstallation des Kollektivs Sarah Rebecca Kühl, Nora Leitgeb und Bamlak Werner, die auf der Langen Nacht der Frau in Klagenfurt zu hören war. „Auf das Geschlecht reduziert zu werden gehört zum Alltag,“ sagt Alina Zeichen. Dazu würde auch gehören, dass Widerspruch abgetan wird als Zickigkeit einer Frau, die womöglich wieder die Periode hat oder man „Komplimente“ dafür bekommt, wie knackig der Po im Kostüm aussieht. Zeichen ist im Vorstand der IG KIKK sowie der IG Kultur und Co-Geschäftsführerin von UNIKUM. Sie hat die Lange Nacht ins Leben gerufen, die am Stadttheater Klagenfurt über die Bühne ging, um sich mit genau solchen Themen und noch vielen anderen zu beschäftigen. Beweggrund hinter der Langen Nacht war eben der Umstand, dass ein Großteil der Kunst, die vorgeführt wird, von Männern gemacht wurde, mit der Begründung, es gäbe nichts entsprechendes, das von Frauen* produziert wurde. Dass diese Ausrede nicht mehr gilt, zeigte die Lange Nacht am 13. Juli 2022 mit Performances an acht verschiedenen Orten am Stadttheater Klagenfurt, Europahaus, Künstlerhaus, Stadthaus, Gewölbegalerie, Architektur Haus Kärnten und CoForum.
Die Marginalisierung von Frauen in der Kultur hat eine lange Geschichte. Michaela Schoissengeier meint, dass schon vor dreißig oder vierzig Jahren genügend Frauen im Kulturbereich aktiv waren, sie aber eher dem Einlass oder dem Buffet zugeteilt wurden – also zum Brötchen schmieren - während Männer Programmierung oder Kuration an sich rissen. Die Vereine waren lange Zeit stark von Männern dominiert. Deswegen hat sich das Netzwerk FIFTITU% gegründet, die Vernetzungsstelle für Frauen, Inter- und Trans-Personen in Kunst und Kultur. Das Netzwerk unterstützt künstlerische Karrieren in Versicherungsfragen, bei Förderungen oder der Suche nach Bühnen, Galerien oder Verlagen. Auch auf Podien oder in Ausstellungen finden sich noch wenig Frauen, meist begründet mit der Ausrede, dass es zu wenig gäbe. Dem setzt man am besten verstärktes Netzwerken entgegen, so Schoissengeier.
Wenn sich die Zusammensetzung der Personen an Machtpositionen ändert, kann sich auch Umfeld und Arbeitsweise ändern. Während wohl 80% der Studierenden der angewandten Kulturwissenschaften Frauen sind, so halten Männer immer noch ebenso viel der Führungspositionen inne. Dieses Machtgefälle stütze ein System, das Übergriffe begünstigt, so Zeichen. Männer sind es gewohnt, dass Frauen ihnen zuarbeiten, oftmals wesentlich jüngere Frauen und das in einem Bereich, der ökonomisch stark unter Druck steht und entsprechende Notlagen schafft. Männer umgeben sich zudem mit einer Art Geniekult, das sich an das Bild des Künstlers knüpft – dem Enfant terrible wird vieles nachgesehen und häufig auch noch zugejubelt. Viele, die in den Kulturbereich gehen, tun das außerdem aus Leidenschaft oder Idealismus. Dabei wäre es hilfreich die eigene Tätigkeit als Arbeit zu begreifen, damit man sich auch politisch organisieren kann und für angemessene Arbeitsbedingungen eintreten kann. Das betrifft übrigens auch die Forderung nach Fair Pay, es würde allerdings auch toxische Arbeitsumfelder zurückdrängen.
Oona Valarie Serbest, Geschäftsführerin von FIFTITU%, geht auch davon aus, dass Frauen bei der Fördervergabe öfter nachsehen haben. Viele Absprachen ergeben sich immer noch in informellen männlichen Netzwerken. Wenn man keinen Zugang dazu hat, wird es schwierig. Zeichen glaubt zwar nicht, dass die Arbeit von Frauen weniger ernst genommen wird, geht aber davon aus, dass die inhaltliche Arbeit weitgehendst in ein Nischeneck „Frauenthemen“ geschoben wird.
Für Betroffene gibt es Vereine, denen es aber meist an Ressourcen fehlt. Die Regierung plant eine Vertrauensstelle gegen Belästigung und Gewalt in Kunst, Kultur und Sport, die VERA heißen soll und mit Anfang September den Betrieb aufnimmt. Damit hier aber stärker aufgestockt wird braucht es öffentlichen Druck und politisches Lobbying und damit wir Täter zurückdrängen vor allem Aufmerksamkeit für die Problematik. Ihr könnt auch uns von euren Erfahrungen berichten, auch anonym.
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