Was kann die Kultur fürs Klima?
Nun ist um Klimaschutz ein regelrechter Hype ausgebrochen, obwohl wir schon seit Jahrzehnten um die Brisanz der Lage wissen. Kunst und Kultur gehören normal eher zur Avantgarde, greifen Themen früh auf. Und doch scheint es so, als habe der Sektor diese Sache verschlafen. Was kann Kunst und Kultur für das Klima? Was kann der Sektor vielleicht sogar, was niemand sonst kann?
Tristan Jorde ist Schauspieler und Umwelttechniker und setzt sich seit Jahren für das Thema ein. Er ist über den momentanen Hype um das Thema sehr überrascht, das macht ihn allerdings nicht zwingend optimistischer: „Niemand kann sich mehr leisten, zu sagen, dass Thema sei egal, aber es passiert dann nichts! Es ist leicht, dafür zu sein, solange man nichts tun muss.“ Er glaubt, der Druck müsse dringend aufrechterhalten werden, um das Fenster der medialen Aufmerksamkeit zu nutzen, zumindest die wichtigsten Maßnahmen durchzuboxen. Pessimistisch ist er vor allem deshalb, weil er meint, dass es nicht reiche, an ein paar Stellschrauben zu drehen und wie bisher weiterzuleben. Substanzielle Änderungen müssten geschehen, die an den Grundfesten unseres Wirtschaftssystems rütteln würden. Das will dann leider doch niemand ernsthaft.
„Die Idee, dass alles immer ins Unendliche wachsen kann, ist pervers!“ so Jordan. Grünes Wirtschaften sei allerdings auch eine Chance. Als Österreich in den 80ern eine Vorreiterrolle in Sachen bleifreies Benzin einnahm, dachte auch niemand, dass das klappen würde. Danach war Österreich Technologieführer – sauberes Wirtschaften zahlt sich also aus, so Jordan. Dennoch fällt es uns als Gesellschaft schwer, entsprechende Entscheidungen zu treffen. Das liege auch daran, dass die Vision fehlt, diese Maßnahmen nicht nur als Entbehrungen zu fassen, sondern auch lebensweltlich als positiv zu bewerten.
Genau hier kann der Sektor ansetzen: „Kunst und Kultur können zum Klimaschutz etwas beitragen, was kein anderer gesellschaftlicher Bereich leisten kann,“ so Richard Schachinger, ehemaliger Geschäftsführer der KUPF Oberösterreich und nun beim Klimabündnis OÖ. Der gelernte Soziologe aus Vöcklabruck steht mit einem Bein im Kulturbereich und mit dem anderen im Klimaschutz. Lange Zeit sah es so aus, als würde sich der Sektor nicht wirklich dem Thema annehmen. Erst gegen Ende der 2000er Jahre gab es den ersten größeren Schub. Der kam vor allem von Sommerfestivals. Das lag daran, so Schachinger, dass die Campingplätze im Grünen liegen und sich dort das Abfallproblem kristallisiert. Green Events entstanden. Darüber hinaus können Kulturveranstaler*innen ihre Häuser mit Energie- und Klimaschutzchecks auf Zukunftsfähigkeit prüfen lassen, sanfte Mobilität aufbauen oder sich zur Regionalentwicklung positionieren, beispielsweise mit Gemeinschaftsgärten, Lebensmittelinitiativen oder Repair Cafés.
Dennoch fehlt es noch weitgehend an Experimentierfeldern und Visionen und vor allem der Brücke zur breiteren Öffentlichkeit. Hier braucht es eine kulturelle Revolution, so Helene Schnitzer und Alexander Erler von der TKI, den Tiroler Kulturinitiativen, die das Forum Klimakultur organisieren. Schnitzer erzählt, wie ähnliche Zusammenschlüsse zuvor noch gescheitert waren, weil der Kulturbegriff im Umweltschutzbereich zu traditionell gefasst war. Auch dort begann es in der Festivalszene und drehte sich lange Zeit um Green Events. Die Anforderung seien am Anfang noch recht unübersichtlich gewesen, so Alexander Erler. Man dürfe nicht das Gefühl vermitteln, dass man sich immer mehr Anforderungen einfallen lässt in einem Sektor, der ohnehin am Rande des Möglichen arbeite. Außerdem darf man den Blick auf das große Ganze nicht verlieren, so Schnitzer. Deswegen veranstaltete die TKI dann das Forum Klimakultur. Die Debatte, die lange vom naturwissenschaftlichen Diskurs dominiert war, müsse zu einer sozialen und kulturellen Debatte werden. Man dürfe nicht beim CO2 zählen stehenbleiben, sondern müsse die Frage nach besseren Lebensentwürfen stellen.
Die Fridays for Future haben den Klimaschutz wieder ganz groß auf die Agenda gesetzt. Es ist also Jugendlichen zu verdanken, dass es noch Hoffnung gibt. Vielleicht kann der Kunst- und Kultursektor nun seinen Beitrag zur Wende leisten. „Wer weiß, wie lange es noch dauert, bis es auch „Artists for Future“ gibt,“ so Schachinger.
Interviews in voller Länge:
Tristan Jorde: „Man müsste die Aufmerksamkeit jetzt nutzen, damit wirklich einmal etwas geschieht.“
Helene Schnitzer und Alexander Erler: "Das Forum Klimakultur"
Publikation zum Forum Klimakultur
Podcast zum Thema:
Foto: Mert Guller