Best Practice: Zukunftshof Rothneusiedl - Stadt-Landwirtschaft zwischen Lebensmittelproduktion und Grätzltreff

Was ist der Zukunftshof und was hat das mit Leerstand zu tun? Wie funktioniert er? IG Kultur Österreich im Gespräch mit Theresa Schütz

Urban Gardening

Warum ist der Zukunftshof ein Best-Practice Beispiel für nachhaltigen Umgang mit Leerstand? 
Man hat von Anfang an nicht über eine reine Zwischennutzung nachgedacht.  Normalerweise hast du beim Leerstand als Besitzer*in wie auch auf der anderen Seite, als Nutzer*in oder Kreative, einen großen Brocken Arbeit mit kostenintensiver Sanierung oder Aufbauleistungen vor dir. Wird aber einmal Leerstand nicht als Problem, sondern als Ressource beiderseits erkannt, kommt es in der Stadtentwicklung meist zu generischen Ansätzen: Man sieht, dass kreative Cluster in München oder Berlin gut funktioniert haben, und übernimmt diese Konzepte für Zwischennutzung 1:1 für andere Gebiete, wo Stadt entwickelt werden soll. Die Aufwertung ist dabei von Anfang an Ziel der Zwischennutzung. Mit kreativen Nutzungen von Leerstand gilt es an vorerst unbedeutenden Standorten attraktive urbane Quartiere zu entwickeln und dann höhere Mieten zu kassieren. Zwischennutzer*innen sind in der ungünstigen Lage auf die vergünstigten Mieten für Leerstand angewiesen zu sein um kreative Räume zu schaffen, die dann nach Ende der Zwischennutzung nur anderen einen Mehrwert bringen. Dabei müssen sie schon froh sein, wenn die Zwischennutzung für drei Jahre geht. Erfahrungen zeigen mittlerweile, dass das Unterfangen solcher kreativen Räume unter zehn Jahren nur ein Verheizen von Projekten ist. Da kann kein nachhaltiger Impuls davon ausgehen. 

Und was war beim Zukunftshof anders?
In dem Fall hat man keine Kopie hergenommen. Es wurde etwas aus dem Ort und der Nutzung, die schon da war, entwickelt.
Der Zukunftshof war in den 1980er Jahren als Haschahof eine der ersten großen biologisch geführten Landwirtschaften und wurde auch davor schon als Bauernhof betrieben. 
2015 wurde er vom Wohnfonds Wien samt den dahinter liegenden Feldern gekauft und als Stadt-Erweiterungsgebiet definiert. Die Gebäude wurden ihrer Nutzung entleert, für Protest und Besetzungsversuche ehemaliger Nutzer*innen des Haschahofs gab es wenig offene Ohren. Ein Ideenwettbewerb wurde ausgeschrieben. So formte sich eine Bürgerinitiative, die gesagt hat, wir hätten auch eine Idee für diesen Hof. Zu diesem Nachnutzungskonzept hat sich ein super aufgestelltes Team gebildet, dem Stadtplaner*innen, Architekt*innen, Forscher*innen, Lebensmittelproduzent*innen, soziale Initiativen und auch Vereine aus der Umgebung angehört haben. Die Gründung einer Genossenschaft erlaubte es, einen noch größeren Pool an Pionier*innen der Stadtlandwirtschaft und Kreislaufwirtschaft mit ins Boot zu holen. Man darf sich als Kulturinitiative vor dem Aufbau einer solchen Struktur nicht schrecken, man ist dadurch einfach stärker aufgestellt.
Dem Wohnfonds Wien hat man damit einen Ansprechpartner auf Augenhöhe geliefert. Der Zukunftshof wurde dann der Genossenschaft für 25 Jahre verpachtet. Dies ist schon eine Perspektive, in der man auch Personen und Unternehmen mit ins Boot holen kann, die daran interessiert sind, etwas Langfristiges aufzubauen, was auch zu einer partnerschaftlichen Kooperation mit der Stadtentwicklung Wien geführt hat.

Von oben kann man solche Konzepte nicht verabschieden. Das werden dann immer nur Stadtquartiere von der Stange sein, wo es mindestens zehn, eher 15 Jahre braucht, bis dort von Leben gesprochen werden kann. Damit es überhaupt zu Grätzl-Leben kommt, muss dann ein Stadtteil-Management eingesetzt werden. Beim Zukunftshof managen sich die Nutzer*innen selbst und auf eigene Kosten, sie bringen Leben in die leeren Mauern, noch bevor neue Wohnungen hochgezogen werden. Generell könnte doch die Stadt Raum Initiativen zur Verfügung stellen, die schon vorab mit Ideen zur Nachnutzung von Leerstand oder für eine Stadt, die erst wird, kommen. Dies ist beim Zukunftshof geschehen.

Was passiert nun alles im Zukunftshof?
Da gibt es einmal eine Schneckenproduktion, die dort für die Haute Cuisine gezüchtet werden. Dann gibt es eine Naschgarten, wo Schulklassen den direkten Zugang zur Natur erleben können, wie man zum Beispiel Nutzpflanzen selber anbauen kann. Meine Firma treeycle produziert mobile Begrünungsmodule für überhitzte Stadträume, samt Wasserkreislauf. Die Bäume, die dieses Klima aushalten müssen, werden in einer Baumschule von Jugendlichen, die schwer Arbeit finden, im Rahmen eines Projekts der Volkshilfe Wien gepflegt. Universitäten docken an und forschen im Tun, machen Summer-Schools. Es gibt verschiedenste Veranstaltungen wie zum Beispiel das „ZukunftsErwachen“. 
Es passiert viel, und alles mit einer Vision, einer gemeinsamen Vorstellung von einer Stadt der Zukunft, wo man keine funktionale Trennung mehr sieht - zwischen denen, die planen, und denen, die es annehmen (müssen). Wenn so viel zivilgesellschaftliches Engagement an einem Ort auf einmal aufblüht, dann ist dies ein irrer Impuls für eine Stadt.

 


Theresa Schütz, Architektin, frei tätig in Bereichen zwischen Kunst im öffentlichen Raum und Urbanismus, kultureller Vermittlung und Architektur. U. a. gründet sie 2021 treecycle – urban eco-solutions, 2019 unos – Studio für Raum und Gestaltung, (mit Rainer Steurer). 2015 Mit-Initiatorin von T/abor, das sie seit 2017 als Raum für Kunst und transdiziplinäre Zusammenarbeit kuratiert.

www.zukunftshof.at

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