Neoliberale Zurichtung oder neue Chancen denken?

Die prekäre und auch feminisierte Arbeitsmarktsituation von Kunst- und Kulturschaffenden ist unumstritten. Doch um übers typisch österreichische Lamentieren, dass alles so schlecht sei, hinaus zu kommen, gilt es, konkrete Veränderungen zu fordern: einerseits veränderte politische Rahmenbedingungen (z.B. eine Reform der Reform der KünstlerInnensozialversicherung), andererseits aber auch Bedingungen zu schaffen, die anerkennen, dass künstlerische Arbeit Arbeit und nicht Hobby ist.

In Kulturrisse 01/04 kritisiert Sylvia Riedmann in ihrem Artikel mit dem Titel works ARTWORKS? das arbeitsmarktpolitische Projekt ARTWORKS und wirft ihm unter anderem auch die "argumentative Unterstützung der neoliberalen Zielsetzungen im Feld von Kunst und Kultur", die "Zurichtung hin zur Akzeptanz neuartiger Arbeitsformen" sowie die "Erprobung neuer Herrschaftstechniken" auf dem Rücken gesellschaftlich Marginalisierter vor. Im folgenden lesen Sie die Replik von Andrea Mayer-Edoloeyi, die im Rahmen von ARTWORKS das Teilprojekt Gründerinnen-Werkstatt koordiniert.


Der Vorwurf der Autorin gegenüber ARTWORKS lautet: Unterstützung neoliberaler Zielsetzungen im Feld von Kunst und Kultur. Unterstützung deshalb, weil wir im Rahmen von ARTWORKS das Ziel verfolgen, die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass künstlerisches Arbeiten von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Relevanz ist. Faktum ist, dass die Einkommens- und Beschäftigungssituation der meisten KünstlerInnen in Österreich eine schlechte ist. Es geht also um Geld. Geld, das Kunst und Kultur generell fehlt.

Im Rahmen des EU-Projektes ARTWORKS geht es um Kunst im sozialen Raum, der das Geld fehlt. Da gibt es keine großen Ausstellungseröffnungen, keine großartigen Premieren. Nicht das Werk, sondern der Prozess steht im Vordergrund. Die KünstlerInnen, die in diesem Bereich arbeiten, beklagen sich über mangelnde Aufmerksamkeit, fehlende finanzielle Mittel und schaffen mit wenig doch viel. Hier die Rahmenbedingungen zu verbessern, ist das Ziel von ARTWORKS - durch Information, Weiterbildung, Diskurs etc. Nach mehr als eineinhalb Jahren Beschäftigung mit diesem Thema wurde dieser Bereich inhaltlich aufgearbeitet und einige Vorschläge formuliert, wie Kunst im sozialen Raum unterstützt und gestärkt werden kann. Nachzulesen ist das auch in den von Sylvia Riedmann erwähnten Studien.

ARTWORKS hat in die komplexe Diskussion über Kunst im sozialen Feld eine weitere Dimension eingebracht: die Frage nach den Arbeitsstrukturen von Kooperationen zwischen KünstlerInnen und Non-Profit-Organisationen. Der zugegeben etwas provokante und leicht neoliberal zu wendende Begriff der "künstlerischen Dienstleistung" wurde eingeführt. Es wird versucht, damit ein arbeitsmarktpolitisches Feld aufzubereiten, damit diese Form der Kunstprojekte nicht eine rein kunstimmanente Diskussion bleibt, sondern die gesellschaftliche (und auch wirtschaftliche) Relevanz künstlerischer Arbeit auch von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Im Idealfall können sich so neue Arbeitsfelder für KünstlerInnen entwickeln, in denen ihre "Dienstleistung" auch entsprechend finanziell honoriert wird, .

Nicht nur lamentieren, sondern tun

Die prekäre und auch feminisierte Arbeitsmarktsituation von Kunst- und Kulturschaffenden ist unumstritten. Doch um übers typisch österreichische Lamentieren, dass alles so schlecht sei, hinaus zu kommen, gilt es, konkrete Veränderungen zu fordern: einerseits veränderte politische Rahmenbedingungen (z.B. eine Reform der Reform der KünstlerInnensozialversicherung), andererseits aber auch Bedingungen zu schaffen, die anerkennen, dass künstlerische Arbeit Arbeit und nicht Hobby ist. Künstlerische Arbeit muss mit der Möglichkeit auf Existenzsicherung verbunden sein und darf nicht zur Folge haben, dass einzelne Kulturschaffende vor der Frage stehen, ob sie noch in diesem Feld weiterarbeiten können oder für die Sicherung des Lebensunterhaltes Taxi fahren sollen. Das alte Bild vom männlichen Geniekünstler, das über allem schwebt, ist obsolet. Es braucht ein neues KünstlerInnenbild, welches nicht nur überholte Gender-Rollen aufbricht, sondern auch die gesellschaftliche Funktion von Kunst hinterfragt. Und - und das nicht zuletzt: Es braucht die Anerkennung von künstlerischem Schaffen und Kulturarbeit als Arbeit.

Weil Frauen - auch in der Kunst und Kultur - immer noch strukturell benachteiligt sind, macht es Sinn, einen eigenen Frauenschwerpunkt zu setzen und im Rahmen des Projektes insbesondere Frauen darin zu unterstützen, sich eine gesicherte Existenzbasis aufzubauen.

Nicht vorbei an der Realität

ARTWORKS versucht, sich generell im Themenfeld "Kultur und Beschäftigung" verortend, neue Modelle zu entwickeln. Das Entstehen von künstlerischer Arbeit, die verschiedene - oftmals gesellschaftlich ausgegrenzte - Gruppen involviert, legt nahe, die Kooperationen von Künstlerinnen mit dem Dritten Sektor, mit Non-Profit-Organisationen, zu vertiefen und weiterzuentwickeln. Die Feldstudien von ARTWORKS belegen, dass dieses Feld zwar ein kleines ist, aber dass danach Bedarf besteht. Und es gibt KünstlerInnen, die Interesse haben, in diesem Feld zu arbeiten.

Carmen Ramirez, eine Teilnehmerin der ARTWORKS Gründerinnenwerkstatt, meint: "Ich bin sogar hinterfragend und mit skeptischen Gedanken ins ARTWORKS-Projekt gegangen und dennoch sehe ich darin Möglichkeiten, die es mir und anderen Teilnehmerinnen vielleicht ermöglichen werden, statt als Überlebensstrategie einer ganz kunstfremden Tätigkeit nachzugehen, doch mit dem, was ich am besten kann (nämlich Kunst) in ein Gebiet zu gehen, dem gegenüber ich auch nie abgeneigt war und dieses mit möglichst qualitativer künstlerischer Arbeit zu beeinflussen versuchen. Die Unterbezahlung im Dritten Sektor, in dem typischerweise besonders viele Frauen arbeiten, ist mir bewusst, und trotzdem glaube ich, dass auf der Ebene, auf der Sylvia Riedmann mit ihrer Kritik ansetzt, einfach nichts weiter gehen und sich nichts verändern kann. Erkenntnis, gut. Daran arbeiten, dass sich etwas ändert, besser".

Es braucht auch einen differenzierten Blick auf den Non-Profit-Bereich. Das ist ein sehr heterogenes Feld, kleine und große Non-Profit-Organisationen, NPOs, die sehr wohl über finanzielle Mittel verfügen und NPOs, die wenig Geld haben. Es gilt, ein Gespür dafür zu entwickeln, wo und mit welchen "Kunst im sozialen Raum"-Projekten auch Finanzierung und damit Existenzsicherheit für den/die KünstlerIn verbunden sein kann.

Auf Basis dieser Überlegungen gibt es zwei Arbeitsbereiche von ARTWORKS, die konkret Modelle erproben. In der "Gründerinnen-Werkstatt für Künstlerinnen" werden Frauen, die auf selbständiger Basis arbeiten wollen, unterstützt, das unter besseren Voraussetzungen zu tun. Bei der "Trainingswoche Kunst im Sozialen Feld" kamen 25 Künstlerinnen und 25 VertreterInnen von Non-Profit-Organisationen zusammen und verhandelten über das Feld an sich und die Rahmenbedingungen von Kooperationen. Das alles unter der Prämisse, dass es darum geht, Arbeitsverhältnisse zu schaffen, die auch längerfristig Existenzsicherheit generieren. Die Rückmeldungen der TeilnehmerInnen der Trainings sind bisher durchwegs sehr positiv, die Trainings werden als hilfreich empfunden.

Grundsätzliche Probleme grundsätzlich lösen

Arbeitsmarktpolitische Projekte bringen per se immer Probleme mit sich. Einerseits erweitert die Re-Integration arbeitsloser Menschen in den Arbeitsprozess deren gesellschaftliche Teilhaberechte, zu denen essenziell Arbeit zählt, andererseits können konkrete Projekte nur erfolgreich sein, wenn sie sich den Herausforderungen konkreter Rahmenbedingungen - und nicht in der Zukunft liegenden positiven Gesellschaftskonzeptionen - stellen. Arbeitsmarktpolitische Projekte können sehr schnell auch zu Maßnahmen werden, die die Kompatibilität des oder der Einzelnen mit neoliberalen Rahmenbedingungen fördern.

Im konkreten Beispiel ARTWORKS geht es dabei vor allem um die Frage der Unternehmensgründung im kulturellen Feld. Es wäre grundfalsch, jemals zu behaupten, dass Selbständigkeit die Lösung aller arbeitsmarktpolitischen Probleme im Kulturbereich ist, aber doch ist Professionalisierung von Menschen, die sowieso schon selbständig arbeiten und sich im Dschungel von Werkverträgen, Honorarnoten, Werbemaßnahmen, Sozialversicherung usw. verloren fühlen, sinnvoll: Die Betroffenen können das, was sie tun, unter besseren Rahmenbedingungen tun. Das verändert nicht die Welt, aber unterstützt konkret Künstlerinnen, die über bessere Möglichkeiten der Existenzsicherung auch erweiterte Möglichkeiten haben, künstlerisch tätig zu sein.

ARTWORKS kooperiert im Rahmen des "Netzwerks Sozialwirtschaft" mit anderen Organisationen aus dem Non-Profit-Bereich. Es braucht strategische Allianzen, um diesen Bereich in seiner gesellschaftlichen Bedeutung aufzuwerten - ähnliches gilt auch für das ganze Themenfeld der atypischen Beschäftigung, das ja längst nicht mehr nur ein Kulturthema ist.

Weitere Informationen:

www.equal-artworks.at


Andrea Mayer-Edoloeyi ist Mitarbeiterin von FIFTITU% - Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in Oberösterreich für das Projekt ARTWORKS Gründerinnen-Werkstatt und KUPF-Vorstand.

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