Kärntner slowenische Kulturarbeit in den Regionen
Sie halten sich über Jahrzehnte selbst in abgelegenen Regionen, treu begleitet durch ein Stammpublikum, getragen durch ein kontinuierliches Kulturprogramm. Ausbleibendes Publikum ist selbst in ländlichen Regionen für viele Kärntner slowenischen Kulturvereine kaum Thema. Eine Spurensuche nach dem Erfolgsrezept und welche Erkenntnisse dies für andere Kulturvereine bereithalten könnte.
Im Zuge der Veranstaltung Fokus Publikum im Kärnten Museum wurde der Mitarbeiter des slowenischen Kulturverbandes (SPZ) Willi Ošina befragt, wie er sich die Vielzahl an umtriebigen Kärntner slowenischen Kulturinitiativen erkläre, die sich auch in abgelegenen Regionen durch jahrzehntelange, kontinuierliche Aktivitäten auszeichnen. Ošina leitete die Motivation der Initiativen aus seiner eigenen Diskriminierungserfahrung als Jugendlicher her. Im Zuge des Ortstafelsturmes im Jahre 1972 mussten die Türen des Internats des Slowenischen Gymnasiums in Klagenfurt/Celovec verbarrikadiert werden. Auch Jahre nach den Gewaltgebärden dieser Tage durften er und die anderen Internats- kinder nur mit beschützenden Begleitpersonen das Stadtzentrum aufsuchen.
Erfahrungen dieser Art teilen viele andere Kärntner slowenische Kulturarbeiter*innen. Sie haben einen großen Teil ihres Lebens dem Erhalt und der Kultivierung der slowenischen Sprache und einer lebendigen Kunst- und Kulturproduktion verschrieben. So verstreuen sich heute über den Südkärntner Raum enga- gierte Kulturinitiativen in Orten und Gemeinden wie St. Jakob/ Šentjakob v Rožu und St. Johan im Rosenthal/ Šentjanž, Zell/ Sele, Bleiburg/Pliberk oder Bad Eisenkappel/Železna Kapla. Im letztgenannten Ort gestaltet Willi Ošina die Programme der Initiativen SPZ Zarja und Lepenska Šola mit. Beide Vereine pflegen ein stellenweise undogmatisches Nebeneinanderstehen oder Ineinanderwirken von Volkskultur und zeitgenössischer Kunst – eine Systematik, die sich in vielen Kärntner slowenischen Kulturorten finden lässt.
Die hohe Dichte an Kunstproduktionen aus Teilen der Kärntner slowenischen Community kann als Ausdruck eines Emanzipationsbegehrens verstanden werden.
Slowenische Volkskultur ist in Kärnten/Koroška begleitet von einem subversiven Moment. Unter dem NS-Regime sah sich die slowenisch sprechende Bevölkerung mit dem Versuch ihrer Auslöschung konfrontiert und auch in der Nachkriegszeit musste sie sich stets gegen Verdrängungsdynamiken zur Wehr setzten. Die Antwort der ikonischen Kärntner Partisanin Jelka darauf lautete: „Wenn sie uns das Sprechen verbieten wollen, werden wir halt tanzen!“[1] Sie leitete nach ihren Erfahrungen im antifaschistischen Partisan*innenwiderstand über Jahrzehnte lokale Volkstanzgruppen.
Die hohe Dichte an Bildungsbestrebungen und Kunstproduktionen aus Teilen der Kärntner slowenischen Community kann ebenfalls als Ausdruck eines Emanzipationsbegehrens verstanden werden. Das Bürgertum mitsamt seinen Bildungs- und Kulturinstitutionen wurde als Ausdruck politischer Herrschaftssicherung bis weit in das 20. Jahrhundert streng deutsch gehalten. Die fallweise Koexistenz von Volks- und Hochkultur, sowie der Nuancen dazwischen, schafft eine gewisse Toleranz und Offenheit. Die verbindende Klammer bleibt das Sprachbewusstsein. Dies könnten Gründe dafür sein, warum es Kärntner slowenischen Kulturinitiativen gelingt, sich in ländlichen Regionen zu halten und ein Stammpublikum zu binden.
Wie in anderen Regionen wird die Generationenübergabe auch für die erwähnten Initiativen eine große Herausforderung darstellen. Das beständige Vereinsleben mit seinen Angeboten und Partizipationsmöglichkeiten bringt zwar eine immense Aufwertung der Lebensqualität für die Gebliebenen mit sich, aber ob es junge Generationen in ausreichendem Maß zum Bleiben oder Zurückkommen animieren kann, wird sich zeigen. Die beschriebene Klammer zwischen Volks- und Hochkultur stellt ebenfalls eine Herausforderung dar. Denn die Aushandlung von Traditionalismen und der Suche nach modernen, progressiven Formen des künstlerischen und inhaltlichen Ausdrucks birgt Community-intern ein gewisses Konfliktpotential.
Dennoch lassen sich einige Lehren aus der Praxis Kärntner slowenischer Kulturarbeit auch für andere und vor allem auch regionale Kulturinitiativen ziehen. Ein undogmatischer weiter Kulturbegriff, eine einladende Partizipationsstruktur in den Vereinen und die Suche nach einem verbindenden Projekt (vergleichbar zum Erhalt der Sprache), das über den engeren Sinn von Kunst und Kultur hinausreicht, können dahingehend als Inspirationsquellen dienen.
Interessanterweise liefert die Historie des slowenischen Kulturverbandes einen Vorschlag für letzteres. Der Verband entstand direkt aus den Strukturen des antifaschistischen Widerstands und proklamierte in seinen Statuten den Kampf gegen jegliche Erscheinungsform von Nazismus und Unterdrückung, Solidarität zwischen Kulturen und Sprachen, eine gemeinsame Anstrengung für Menschenrechte und eine Demokratisierung des öffentlichen Lebens.[2] Vielleicht ist das ein guter Ansatz für die Suche nach der verbindenden Klammer.
Markus Gönitzer ist Kulturarbeiter und Diskurs- kurator. Er engagiert sich u.a. in den Initiativen Forum Stadtpark (Graz), Museum/Muzej Peršman und WerkStattMuseum (Klagenfurt/Celovec).
1 Interview Zdravko Haderlap 2021.
2 Malle, A. (2011). Der Widerstand der Kärntner Slowenen im historischen Gedächtnis. In: Entner, B., Malle, A., Sima, V. (Hg.). Widerstand gegen den Faschismus und Nationalsozia- lismus im Alpen-Adria-Raum, S.66–83. Klagenfurt: Drava.
Dieser Artikel ist erstmals in der Ausgabe 1.23 „LAND KULTUR ARBEIT“ des Magazins der IG Kultur Österreich – Zentralorgan für Kulturpolitik und Propaganda erschienen.
Das Magazin kann unter @email (5 €) bestellt werden.
Coverbild: Mira Perusich und Konstantin Vlasich bei der Gedenkfeier am Peršmanhof 2023 © Ricarda Martinek