Die Kunst, Pläne zu machen: Kulturstrategien und Entwicklungspläne in der Politik.

Man muss sich schon einiges vornehmen, um etwas Großes zu schaffen. In der Politik gibt es dafür sogenannte Strategie- oder Entwicklungspläne. Wozu sind sie da? Wie laufen sie ab? Und wovon hängt es ab, ob sie Erfolg haben?

Kulturstrategie Kulturentwicklungsplan

Die Kunst, Pläne zu machen: Kulturstrategien und Entwicklungspläne der Politik.

 

 

Man muss sich schon einiges vornehmen, um etwas Großes zu schaffen. In der Politik gibt es dafür sogenannte Strategie- oder Entwicklungspläne. Wozu sind sie da? Wie laufen sie ab? Und wovon hängt es ab, ob sie Erfolg haben?

 

All or nothing: Die bisherigen Erfahrungen zeigen eines deutlich: Ein solcher Prozess ist kein Nullsummenspiel. Am Ende steht häufig eine „win-win“ – oder eben eine „lose-lose“ Situation. Im Idealfall ist es nämlich ein Einigungsprozess zu bestmöglichen Lösungen. Im schlechtesten Szenario realisiert man, dass die Politik womöglich gar nicht an solchen Lösungen interessiert ist. Doch wozu entwirft man überhaupt eine Strategie oder einen Entwicklungsplan? 

Solche Pläne sind grundsätzlich nicht auf den Kulturbereich beschränkt: „Ein solcher Prozess fördert auch in anderen politischen Feldern die Teilhabe und steigert dadurch die Zustimmung für die Vorhaben,“ so Gabriele Gerbasits, ehemalige Geschäftsführerin der IG Kultur. Ein Plan hilft dabei, die richtigen Maßnahmen zu beurteilen – und dafür muss man zuerst einmal Ziele festgelegt haben. Ein solches Vorgehen gibt es in der österreichischen Bundeskulturpolitik eigentlich kaum. In der Regel hat man sich mit Einzelaktionen begnügt, geht großen Vorhaben, an denen man dann gemessen werden könnte, tunlichst aus dem Weg. Politik steuert allerdings immer, auch wenn es nicht geplant geschieht. Ein Entwicklungsplan oder Strategiepapier ist zumindest ein transparentes Vorgehen. Es ist nicht nur ein Risiko, denn es hat auch für die Politik Vorteile: Wenn die kulturellen Player*innen bei der Erstellung einbezogen werden, hat man sie an Board, das Feld quasi befriedet und entsprechend Rückenwind. Das zeigen die Beispiele aus Linz oder Salzburg, wo der Prozess nicht nur die Kultur, sondern auch Verwaltung und sogar Politik über Parteigrenzen hinaus zufriedengestellt hat. Eine große Aufgabe, die aber auch mit einer kulturpolitischen „gmahden Wiesn“ belohnt wird. Dafür muss man aber „all-in“ gehen.

 

Best Practices: Linz gehörte zu den ersten, die einen solchen Plan entwickelt haben. Schon 2001 wurde so eine Roadmap zur Kulturhauptstadt erstellt. Nach dem Kulturhauptstadtjahr „Linz09“ galt der Plan als abgearbeitet und ein neuer Prozess wurde aufgesetzt. Der lief über drei Jahre und wurde von Thomas Philipp von LIquA, dem Linzer Institut für qualitative Analysen, strukturiert. Man braucht also einen guten Strategieprozess für eine starke Kulturstrategie. 

In der ersten Phase wurden Erhebungen vorgenommen, das waren unzählige qualitative Interviews, um die Grundlagen, Strukturen, aber auch Pläne und Vorhaben in einzelnen Kultureinrichtungen zu erfahren. Diese Bestandsaufnahme war die inhaltliche Grundlage für die zweite Phase, die den öffentlichen Auftakt ausgemacht hat. Es handelte sich dabei um eine Diskussionsphase mit öffentlichen Veranstaltungen zu verschiedenen Themen. In größeren und kleineren Gruppen wurden die Themen ausgearbeitet. 

 

Der Kulturentwicklungsplan des Landes Salzburg ist im Vergleich zur oberösterreichischen Landeshauptstadt nicht als Folge eines Vorhabens, sondern eher aus einem gewissen „Vakuum“ heraus entstanden, so Thomas Randisek, vom Dachverband Salzburger Kulturstätten. Man wollte eine Strategie entwickeln, die möglichst alle kulturellen Player*innen des Landes Salzburg einbezieht. Die Aufgabe wurde ausgeschrieben und der Auftrag ging dann wiederum an Thomas Philipp und LIquA, eben besagtem Linzer Institut für qualitative Analysen. Auch hier hat man erst Daten und Problemlagen gesammelt, diese in einer zweiten Runde gebündelt und mit den Akteur*innen besprochen. Ein Konzept, das bereits einmal ausgezeichnet funktioniert hat, wurde erneut erfolgreich angewendet, einmal auf eine Landeshauptstadt, einmal auf ein Bundesland: „Der Prozess wurde wirklich zur Zufriedenheit aller Akteur*innen gestaltet, sowohl der Kulturarbeiter*innen, aber auch der Verwaltung und Politik, da muss man ein klares Lob aussprechen!“ so Randisek. 

 

Give a little – take a little (or let your poor heart break a little). Es gibt gewisse Erfolgsfaktoren, die gegeben sein müssen, damit das Kunststück funktioniert: „Das Prozessdesign war von Anfang bis Ende klar und wurde immer transparent kommuniziert. Wenn Leute sich ehrenamtlich und in ihrer Freizeit einbringen und mitarbeiten, ist es ganz wesentlich, dass sie dann auch wissen, was sie dafür bekommen, bzw. was dann damit geschieht, was sie ausgearbeitet haben, wie es weitergeht und wer die Personen sind, die die Entscheidungen treffen,“ so Thomas Diesenreiter von der KUPF OÖ. 

 

Dabei handelte es sich in beiden Beispielen um eine sogenannte „Steuerungsgruppe“, besetzt aus Akteur*innen aus dem Kulturbereich (auch die freie Szene war gut repräsentiert) und eben kein politisch besetztes Gremium. Diese Steuerungsgruppe hat die Ergebnisse aus den Diskussionen ausgearbeitet und weitergeleitet, erst an den Kulturausschuss, dann an den Gemeinderat. Diese Schritte waren immer klar und offen kommuniziert. Alle wussten also stets wo man steht, wo man herkommt und wo es hingeht. „Ich bin prinzipiell skeptisch, ob solche Prozesse funktionieren, und habe das auch schon anders erlebt. Hier haben wir aber wirklich ein Musterbeispiel erlebt,“ ist Thomas Randisek voll des Lobes: „Es wurde nicht nur ein guter Plan geschaffen, sondern dieser auch entsprechend umgesetzt.“ Eine starke Einbindung der Kultur – vor allem auch der freien Szene – zahlt sich also aus und führte schließlich zu einem politischen Erfolg, mit dem sich auch Politik und Verwaltung rühmen können. 

 

Das Rad nicht neu erfinden: „Rein vom Prozessdesign war es eine super Blaupause für alle, die so etwas machen wollen, um sich daran zu orientieren. Wichtig ist dabei, dass kein Papier herauskommt, dass sich in Phrasen und Allgemeinplätzen erschöpft. Es war beim Linzer Kulturentwicklungsplan von Anfang an klar, es muss Ziele geben, aber dazu immer auch konkrete Maßnahmen,“ erklärt Thomas Diesenreiter. Erst durch Maßnahmen wird eine vage Absichtserklärung zu einem Plan. Ob und wie gut dieser umgesetzt wird, steht wiederum auf einem anderen Blatt, doch stehen die Chancen immer noch besser, als wenn wortwörtlich „planlos“ vorgegangen wird.

 

Thomas Diesenreiter hält den Prozess für übertragbar. Er selbst hat das Konzept gemeinsam mit Thomas Philipp auf eine kleinere Stadt angewendet, in ihrem Fall für Gallneukirchen. Zuvor war Kultur dort durchaus ein streitbares Thema in Wahlkämpfen. Nach dem Prozess sah es ganz anders aus, man hat sich sozusagne die „gmahde Wiesn“ erarbeitet. Ähnlich sieht man das in Salzburg, wie Randisek erläutert: „Ich wundere mich immer beim Bund: Wenn man schon Beispiele hat, die viele Leute einbinden, konsensual sind und gute Ergebnisse liefern – warum übernimmt man dann die Best Practice Beispiele nicht? Es ist verlorene Zeit und verlorenes Geld. Vor allem wäre es auch ein politischer Sieg, es war dann ja auch im Salzburger Landtag so, dass alle zugestimmt haben.“ 

 

Forum Kultur: Beginnt eine Kulturstrategie schon ohne gut durchdachtem und transparentem Strategieprozess, so landet sie in einer Endlosschleife. Man kann natürlich bei einem offenen Prozess vorher nicht wissen, was nachher dabei rauskommen soll. Aber man sollte schon wissen, wie man so einen Prozess erfolgreich gestaltet. Genau hier scheiden sich die Strategieprozesse, die zu Kulturstrategien führen – oder eben auf der Stelle treten. Das Forum Kultur, dass der Bund kürzlich veranstaltet hat, gab dabei nun wenig Grund für Hoffnung. Schon im Sommer 2021 hatte das BMKOES dazu eingeladen, Themen für eine Kulturstrategie zu übermitteln. Daran hat auch die IG Kultur teilgenommen. Aus einer folgenden Dialogveranstaltung wurden dann auch 270 Rückmeldungen für acht Themenfelder. Diese waren Innovation, Fairness, Internationalisierung, Institutionen, Kulturvermittlung, Ökologisierung, Digitalisierung und Kennzahlen. Bei einer Kick-Off Veranstaltungen wurden dann wieder Leute eingeladen, die ihre Meinung dazu abgegeben haben. Daraus wurde wieder eine Sammlung von Themen, die man wiederum bündeln musste. Laut Staatssekretariat sollten diese Themen dann wieder die Basis für Dialoggruppen bilden, die im Frühjahr 2022 wieder gebündelt werden sollten – ein Kreislauf ohne konkrete Ergebnisse – was schon damit zu tun hat, das man einen Prozess begonnen hat, ohne Ziele zu formulieren, um diesen Prozess dann so zu strukturieren, dass diese auch zu erreichen sind.


„Der Bund hat zu einem moderierten Prozess eingeladen, der jedoch nie über das sammeln von Post-Its hinausgegangen ist, “ kritisiert Gabriele Gerbasits den Prozess: „Alles was dort steht wurde eigentlich sogar schon seinerzeit vom Kulturstaatsekretär Wittman [Anmerkung: Staatsekretär im Bundeskanzleramt von 1997-2000] zusammengefasst.“ Man hätte eigentlich dort schon starten können, wo man nach einem langen und mühevollen Prozess erst hingekommen ist. Es scheint, also scheue die Bundeskulturpolitik eine selbstgelegte Messlatte. „Das kommt aber ganz darauf an, wer dort sitzt. Es gibt nämlich schon Politiker*innen, die gerne evaluieren und dann halt nachbessern – die haben dann auch starke Ergebnisse vorzuweisen,“ so Gerbasits.

 

Ein Jahr hat die Staatssekretärin noch, um in die Zielgerade einzubiegen. Wenn nun aber immer noch vage Themen sondiert werden, so ist wohl damit zu rechnen, was zu erwarten war: „Ein Strategieprozess läuft deshalb ins Leere, wenn die Zieldefinition fehlt und unklar ist, welche Ergebnissicherung angestrebt wird“, so Gabriele Gerbasits. Es wurde geredet, auch wenn nicht immer klar war mit wem, die Einladungspolitik war aber etwas unübersichtlich. Mirjam Steinbock, IG Kultur Steiermark, kritisierte bereits im Sommer 2022, dass viele Menschen mit Expertise keine Einladung erhalten hätten, die es aber gebraucht hätte, um den Prozess umzusetzen. Es fehlt am Ziel, aber auch an Transparenz. 

 

Man kommt eben nur mit einem Strategieprozess zu einer Kulturstrategie. Der Dialog ist zwar immer noch aufrecht, selbst wenn das Forum Kultur wie erwartet ergebnislos verlief – was durchaus auch Ärger in der Szene hervorrief: „Diese Präsentation hat unheimlich viel Geld gekostet. Für nur wenig mehr hat das Land Salzburg einen ganzen Kulturentwicklungsplan zustande gebracht. Da kann man sich auch die Frage stellen, wie effektiv mit Steuergeld umgegangen wird,“ so Thomas Randisek. Am Ende wird ein Erfolg am konkreten Output bemessen werden und nicht daran, ob man wieder über dieselben Dinge spricht, die man schon vor 20 Jahren herausgefiltert hat. Die Kulturpolitik ist im Vergleich zur Vergangenheit zumindest um Dialog bemüht. Nun muss sie den Worten noch Taten folgen lassen. 

 

 

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